Krisen, Kinder und Krankheiten – das ist die eine Seite des Schicksals von Kavata Katithi. Die andere: Die 36-Jährige hat einen schier unerschütterlichen Willen, sich von Tiefschlägen nicht unterkriegen zu lassen.
Wir sitzen vor den Hütten von Katithi ziemlich in der Mitte von Kinakoni – jenem Dorf im Südosten Kenias, das stern und Welthungerhilfe über drei Jahre hinweg begleiten. (Alle Infos zum Projekt hier.) Kavatha wirkt müde und erschöpft. Sie hält ihren zweijährigen Sohn Timothy auf dem Schoß und stillt ihn, ihre siebenjährige Tochter Grace sitzt daneben, auch Duncan, 14, ihr Ältester. Sein Blick wirkt abwesend.
Von morgens sechs bis abends sechs
Seit heute Morgen um sechs hat Katithi auf dem Markt von Kinakoni Chappati verkauft, Fladenbrote, wie jeden Tag, außer sonntags. Zwei, drei Euro verdient sie so am Tag, es ist die einzige Einnahmequelle für sie und ihre drei Kinder. Einen Vater hat die Familie nicht.
Der fehlende Mann, der fehlende Vater – das ist kein ungewöhnliches Schicksal hier in Kinakoni, wie in vielen Dörfern Ostafrikas. Junge Männer und Frauen lernen sich kennen, kommen sich näher, die Frau wird schwanger, manchmal noch als Teenager – doch der Mann übernimmt keine Verantwortung. Das passiert häufig.
Familienplanung und Empfängnisverhütung gibt es hier auf dem Land kaum. Kenia ist eines der am weitesten entwickelten Länder Afrikas, Nairobi eine kosmopolitische Weltstadt. Die Geburtenrate liegt bei 3,5 Kinder pro Frau. Doch hier auf dem Land sind fünf oder acht Kinder keine Seltenheit.
Zwar springt die Familie fast immer mit ein, wenn Kinder – gewollte oder ungewollte – geboren werden; die Eltern, Onkel, Tanten, Nachbarn helfen. Doch wenn, wie im Fall von Kavata Katithi, auch der eigene Vater wegen Krankheit nicht mehr arbeiten kann und versorgt werden muss, dann ist man als alleinstehende Mutter auch in Kinakoni manchmal ziemlich verzweifelt und erschöpft. "An vielen Tagen bin ich einfach nur müde", sagt Katithi.
Die Schule war zu teuer
Ihr erstes Kind bekam sie mit Anfang 20, sie lebte damals noch bei ihren Eltern und half auf den Feldern – für mehr als acht Klassen Grundschule hatte die Familie kein Geld. Denn auch die staatlichen Schulen in Kenia kosten Geld. Und die weiterführende Secondary School ist noch einmal deutlich teurer. Katithi wollte es mit dem Mann versuchen, ihn auch heiraten, doch der machte sich aus dem Staub.
Sie ging nach Nairobi. Duncan, so hatte sie ihren Sohn genannt, blieb bei den Eltern. In der Hauptstadt arbeitete Katithi als Putzfrau bei einem Arzt – und wurde erneut schwanger. Und wieder verlassen. Sie kehrte ins Dorf zurück, gebar das Kind. Dann noch einmal Nairobi – und noch einmal schwanger. "Es war derselbe Typ wie beim zweiten Kind", erzählt sie, "ich wollte mich eigentlich nicht wieder mit ihm einlassen, hab es aber doch getan. Das war ein Fehler. Er wollte mich zwar dann heiraten, aber ich hatte kein wirkliches Vertrauen zu ihm. Außerdem wurde mein Vater krank – deswegen bin ich zurückgekehrt."
Hier lebt sie nun bei den Eltern, wo sie selbst einst aufgewachsen ist. Es ist eine bitterarme Welt. In den Lehmziegelhütten hängen ein paar zerschlissene Kleider auf einer Leine, auf einem Holzpodest schläft die Familie. Bis vor kurzem hatte sie auch ein paar Dutzend Hühner, doch eine Krankheit raffte alle dahin.

Hoffnung setzt Katithi in ihre Tochter Grace. Die siebenjährige geht in die zweite Klasse, sie wirkt aufgeweckt, fröhlich. Große Sorgen allerdings macht ihr Duncan. Der 14-Jährige ist still, beinahe apathisch – und offenbar entwicklungsverzögert. Die Hose schlackert um seine dünnen Beine. Katithi hat ihn von der Schule nehmen müssen, er kam dort einfach nicht mit. "Ich würde ihn gerne auf eine Spezialschule schicken, aber dafür fehlt mir das Geld", sagt sie.

Ihr Traum ist ein eigener Gemüseladen auf dem Markt, um endlich mehr Geld zu verdienen. Dafür arbeitet sie. Fast jeden Tag von sechs bis sechs. Für sich, aber vor allem auch für Duncan.