Für die Bahn ist es der Beginn einer neuen Ära: Mit der Eröffnung der millionenteuren ICE-Ausbaustrecke zwischen Hamburg und Berlin am vergangenen Sonntag geht der bundeseigene Konzern im harten Konkurrenzkampf mit dem Auto in die Offensive - die kürzere Reise mit Tempo 230 soll deutlich mehr Fahrgäste anlocken. Der Fahrplanwechsel am dritten Advent beschert Bahnfahrern im ganzen Land aber zugleich erneut teurere Tickets. Sie bekommen die zweite Preiserhöhung dieses Jahres im Portemonnaie zu spüren. Auch ein beliebter Mitfahrerrabatt fällt weg. Fahrgastvertreter warnen, Kunden erneut zu verprellen.
Mit Tempo 230 von Hamburg nach Berlin
An die neue Paradestrecke zwischen den beiden größten deutschen Städten knüpft Bahnchef Hartmut Mehdorn hohe Erwartungen. Denn beschleunigen kann die Bahn dort erst mit Verspätung - der längst geplatzte Traum einer Vorzeigestrecke für die Magnetbahn Transrapid war im Weg. Für 650 Millionen Euro wurden die 287 Gleiskilometer zwischen der Hauptstadt und der Hansestadt jetzt in vier Jahren zur Hochgeschwindigkeitstrasse ausgebaut. Die ICE rasen künftig mit Tempo 230 über die Gleise statt wie bisher mit 160 Kilometern pro Stunde. Die Fahrtzeit schmilzt um eine gute halbe Stunde auf rund 90 Minuten. Und das soll nicht nur Geschäftsreisende locken.
Zwischen den Metropolen kann die Bahn nun beweisen, wie attraktiv sie wirklich ist. Die Voraussetzungen sind günstig. Konkurrenz von Billigfliegern oder der Lufthansa gibt es nicht. Über die Autobahn dürften es selbst Raser nicht schneller von City zu City schaffen als die weißen Neigetechnikzüge auf der Schiene. Für das nächste Jahr kalkulieren die Planer denn auch mit einem Sprung von derzeit 2,4 Millionen auf 2,8 Millionen Fahrgäste. Wie voll die Züge werden, muss sich aber erweisen. Die neue Trasse sei eine gute Sache, heißt es beim Fahrgastverband Pro Bahn. Dass die schnellen ICE nur alle zwei Stunden im Fahrplan stehen, sei allerdings noch "ein dünner Takt".
Mehr Tempo wird teurer
Für mehr Tempo müssen die Kunden zudem auch mehr zahlen: Der Preis für die einfache ICE-Fahrt zweiter Klasse steigt von derzeit 49 Euro auf 55 Euro. Wer es günstiger möchte, kann für 45 Euro in die etwas langsameren Intercity steigen - doch auch sie kosten damit vom dritten Advent an drei Euro mehr. Denn allen Protesten zum Trotz hebt die Bahn die Tarife erneut bundesweit an. Für Pendler wird die Fahrt außerhalb von Verkehrsverbünden im Schnitt um 3,6 Prozent teurer. Bei Fernzügen sind es 3,1 Prozent. Grund seien stark gestiegene Kosten für Energie, heißt es bei der Bahn wie schon bei Fluggesellschaften.
Fahrgastvertreter fürchten jedoch, die Bahn werde so gerade erst gewonnene Kunden wieder abschrecken. "Das ist Rudern in die falsche Richtung", sagt der Pro-Bahn-Vorsitzende Karl-Peter Naumann. Negativ sei auch das Aus für ein beliebtes Rabattangebot zum Fahrplanwechsel: Mit einem Fernverkehrsticket zum normalen Preis lassen sich künftig nicht mehr bis zu vier Mitfahrer zum halben Preis mitnehmen. "Zwei Leute, die nebeneinander Zug fahren würden, nehmen dann wohl eher das Auto", kritisiert Naumann.
Fernverkehr kommt nicht aus den roten Zahlen
Dabei kann die Bahn einen kräftigen Schub im Fernverkehr dringend gebrauchen. Nach dem Comeback der alten Bahncard und stark gefragten Sonderangeboten stieg die Auslastung von ICE und Intercity im Oktober zwar spürbar auf 46 Prozent, wie Mehdorn gerade den Mitarbeitern schrieb. Auch in diesem Jahr kommt die Sparte jedoch nicht aus den roten Zahlen heraus, in den Zügen bleiben noch immer zu viele Sitze leer. Rückenwind für die geplante Fahrt in Richtung Börsenfähigkeit erhofft sich die Bahn da auch von der neuen Paradestrecke. Damit das Angebot alle Kunden erreicht, war aber noch vor der Premiere ein zweiter Anlauf nötig: In der Berliner Ausgabe des Fahrplanhefts "Städteverbindungen" wurden ausgerechnet die Hochgeschwindigkeitszüge zunächst vergessen.
Fahrpreise
In Fernzügen werden Tickets im Schnitt 3,1 Prozent teurer. Wie sich der Preis verändert, ist aber von der Entfernung abhängig. Unter 150 Kilometer und über 750 Kilometer bleiben die Tarife stabil. Dazwischen verlangt die Bahn bis zu 4,2 Prozent mehr. Im Nahverkehr außerhalb von Verkehrsverbünden steigen die Preise bis 100 Kilometer um 3,9 Prozent, für Fahrten von 101 bis 300 Kilometer um 3,3 Prozent.
Zeitkarten
Monatskarten im Nahverkehr werden um 3,3 Prozent teurer - auch für Auszubildende. Wochenkarten kosten 3,9 Prozent mehr. Dies soll einen Anreiz zum Kauf einer Monatskarte schaffen.
Mitfahrerrabatt
Mit einem Fernverkehrsticket zum normalen Preis ist es künftig nicht mehr möglich, bis zu vier Mitfahrer zum halben Preis mitzunehmen. Bahncard-Inhaber sollen davon aber noch weiter bis Dezember 2005 profitieren können. Auch für die Frühbucher-Sparpreise mit 25 und 50 Prozent Ermäßigung bleibt es beim Mitfahrerrabatt.
City-Ticket
Bahncard-Inhaber können künftig mit ihrem Ticket in 60 statt bisher 46 Städten vor und nach der Zugreise kostenlos im öffentlichen Nahverkehr weiterfahren.
Bahncard 100
Der Preis der Jahresnetzkarte zweiter Klasse steigt von 3000 Euro auf 3250 Euro und erster Klasse von 5000 auf 5400 Euro. Dafür beinhaltet sie künftig automatisch auch das City-Ticket.
Ländertickets
Die Ländertickets gelten künftig außer in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Niedersachsen auch am Wochenende. In einigen Ländern werden sie um bis zu vier Euro teurer. Dennoch sollen damit bis zu fünf Personen an Wochenenden künftig bis zu 25 Prozent günstiger fahren als bisher mit dem Schönes-Wochenende-Ticket.
Schönes-Wochenende-Ticket
Das beliebte Angebot für bis zu fünf Reisende wird zwei Euro teurer und kostet damit am Automaten und im Internet 30 Euro. Am Schalter sind 32 Euro fällig.
Metropolitan
Der unrentable Luxuszug zwischen Hamburg und Köln wird eingestellt. Stattdessen fährt künftig morgens in beide Richtungen ein ICE-Sprinter.