Lebensfreude und Optimismus sind die Botschaften der Werbebranche - aber lassen sich in den Tagen nach den Anschlägen in den USA kaum vermitteln. Vor allem US-Unternehmen und Fluggesellschaften haben derzeit Hemmungen, ihre Produkte fröhlich verpackt anzupreisen. Zum Leidwesen des Anzeigengeschäftes und der Fernsehanstalten: Um 30 Prozent senkte der Privatsender ProSiebenSat.1 am Freitag seine Gewinnprognosen und machte dafür die US-Anschläge verantwortlich. Zusätzlich erschwert wird die Ertragslage nach Angaben der Medienunternehmen durch Kosten aus der Nachrichten bedingten redaktionellen Mehrarbeit. Ein Ende der Flaute ist angesichts der unsicheren politischen Situation nicht absehbar.
Printsektor konnte kompensieren
Während Zeitungen nach Angaben des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft Ausfälle bei den Werbeeinnahmen mit Auflagensteigerungen abfedern können, unterliegen die Fernsehsender einer Doppelbelastung. Sondersendungen zur aktuellen Lage verdrängten Spielfilme mit Werbeblöcken und erforderten zusätzliche Arbeit, bestätigte eine Sprecherin des Kölner Privatsenders RTL. Etwas leichter hatten es da die öffentlich-rechtlichen Sender, die mit Gebühreneinnahmen im Jahr 2000 von rund elf Milliarden Mark weniger auf Werbeeinnahmen angewiesen waren.
Es gab viele Stornierungen
Aber auch die Printmedien mussten zahlreiche Stornierungen ihrer Anzeigenkunden in Kauf nehmen. In den vergangenen zwei Wochen fielen rund 50 Seiten Werbung mit potenziellen Einnahmen von brutto 18 Millionen Mark aus, sagte ein Sprecher des Magazins »Der Spiegel«. Bis zum Jahresende rechnet er mit Einnahmeausfällen im Umfang von 200 bis 250 Seiten, die direkt oder indirekt auf die Anschläge in den USA zurückzuführen sind.
Werbekampagnen werden neu konzipiert
Auch der Süddeutsche Verlag und die Frankfurter Allgemeine Zeitung verzeichneten eigenen Angaben zufolge rückläufige Einnahmen im Anzeigengeschäft. Mittelfristig dürften die Kunden sich jedoch wieder bei den Zeitungen melden, erwartet ein Sprecher der Süddeutschen Zeitung. Die Unternehmen müssen neu über Motive und Texte nachdenken. Im schlimmsten Fall müssten Werbestrategien neu konzipiert werden. Insbesondere Großkunden hatten spontan Solidaritätanzeigen geschaltet, fügte der Sprecher hinzu.
New York verblüffend häufiges Motiv
Nicht wenige Werbespots wurden auf Grund ihrer Parallelen zu den US-Anschlägen zurückgezogen. Es ist erstaunlich, wie viele Firmen New York als Thema für ihre Filme gewählt hätten, sagte Katja Pichler, Unternehmenssprecherin bei der ProSiebenSat.1 AG. So hat der Auskunftsdienstleisters Telegate einen Spot geschaltet, bei dem ein Flugzeug durch die Twin Towers hindurch fliegt. Zwei Tage vor der Katastrophe ging der Spot auf Sendung. Ebenfalls fraglich bleibt, ob Speiseeishersteller Schöller seinen Werbespot mit Manhattener Südansicht als Schlussbild wieder verwenden wird, sagte Pichler weiter. Schon allein das Motiv Wolkenkratzer hat zahlreiche Kunden zu Stornierungen veranlasst.
Die Normalität hängt von der Politik ab
Wann der Werbealltag wieder einkehren wird, ist nach Einschätzung der Medienunternehmen völlig ungewiss. »Normalerweise ist der Herbst eine gute Geschäftszeit«, sagte Claudia Scheel, Sprecherin der ARD-Werbeabteilung. Jetzt haben die Vorfälle in Amerika die Aussichten auf eine Erholung des ohnehin schwierigen Werbejahres zunichte gemacht. So hängt es nun von der politischen Entwicklung ab, wann wieder Normalität einkehren wird.
Nicht das Jahr 2000 als Maßstab nehmen
Auch Volker Nickel, Sprecher des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft, rechnet im laufenden Jahr mit einem Umsatzrückgang der Werbebranche von mindestens einem Prozent. Sollten weitere Anschläge ausbleiben und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stabil bleiben, erwartet er jedoch schon im kommenden Jahr einen erneuten Aufschwung. Nickel warnte davor, das einträgliche Werbejahr 2000 als Maßstab zu setzen.
Akiko Lachenmann