Werbe-Blockade iOS 14.5: Gegen dieses Update hat Facebook gekämpft - und verloren

Das Werbe-Tracking müssen die Nutzer mit iOS 14.5 aktiv erlauben
Das Werbe-Tracking müssen die Nutzer mit iOS 14.5 aktiv erlauben
© Farknot_Architect / Getty Images
Mit dem neuesten iPhone-Update dreht Apple einem guten Teil der Werbe-Spionage den Hahn zu. Facebook und Co. gefällt das gar nicht.

"Wir werden das abstellen" - mit dieser ungewohnt offenen Ansage gegenüber einem Konkurrenten überraschte Apple im Sommer 2018 bei seiner Entwicklermesse WWDC. "Das" bezog sich auf die Fähigkeit der Internet-Konzerne, die Nutzer auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Und Apples Software-Chef Craig Federighi gab sich keine Mühe zu verhehlen, wer da gerade angegriffen wurde: Während seiner Ausführung wurde hinter ihm die Startseite von Facebook gezeigt. Gestern machte Apple dann endgültig ernst. Und machte Facebook zum Verlierer eines erbitterten Kampfes.

Mit dem gestern erschienen iOS 14.5 überlässt es Apple nun den Nutzern, ob sie von den Internet-Riesen auch über andere Webseiten und Apps verfolgt werden wollen. Das Ausmaß, in dem das vorher möglich war, dürfte nur den allerwenigsten Nutzern bewusst gewesen sein. Werbenetzwerke konnten die Nutzer nicht nur in den Apps identifizieren, die sie gerade nutzten. Sie wussten auch, welche Apps sie noch öffneten, was sie dort trieben und welche Webseiten sie besuchten. Jetzt geht das nur noch, wenn die Nutzer dem aktiv zustimmen: In der Standardeinstellung ist die Option abgeschaltet. 

Tracking nur mit Zustimmung

Genau diese Entscheidung Apples ist den Werbefirmen und allen voran Facebook ein Dorn im Auge. Denn natürlich ahnen auch sie, dass nur ein Bruchteil der Nutzer diese Art der Überwachung tatsächlich will - und noch weniger die Mühe auf sich nehmen, sie dann auch noch aktiv einzuschalten. Das dürfte die Werbebranche empfindlich treffen, vor allem auf den Heimatmarkt der größten Werbekonzerne Facebook und Google: In den USA hat Apple auf dem so wichtigen Smartphone-Markt einen Anteil von 60 Prozent. Fast 7 Prozent seiner Einnahmen könnte Facebook durch Apples Änderung verlieren, berechnete Experte Eric Seufert. Nimmt man den gerade angegebenen Umsatz von 28 Milliarden Dollar aus dem letzten Quartal als Grundlage, wäre das ein Verlust von zwei Milliarden Dollar – für nur ein Quartal.

Wie groß die Angst ist, ließ sich bei der Vorstellung von Facebooks erstem Quartalsbericht des Jahres beobachten. Gründer Mark Zuckerberg erklärte dort quasi offiziell Apple zum Feind. Obwohl der Konzern anders als Facebook keine Werbung, sondern in erster Linie Hardware verkauft, sehe man den Konzern "zunehmend als einen der wichtigsten Konkurrenten", erklärte Zuckerberg in einem Call mit den Investoren.

Apple als Monopolist?

Immer wieder griff der Konzern stellvertretend für die Werbebranche deswegen Apple an, unterstellte dabei auch, dass es sich bei den Privatsphäre-Bedenken nur um ein vorgeschobenes Argument handelte. "Die Schritte sind klar an Wettbewerbsinteressen orientiert", ereiferte sich Zuckerberg. "Apple hat jeden Anreiz, seine dominante Plattform auszunutzen, um zu beeinflussen wie unsere und andere Apps funktionieren."

Diese These vertreten auch die deutschen Werbeverbände. In einem ungewohnt einstimmigen Auftritt werfen sie dem Konzern in einer Kartellklage vor, seine Monopolmacht zu missbrauchen. "Durch diese einseitig auferlegten Maßnahmen schließt Apple faktisch alle Wettbewerber von der Verarbeitung kommerziell relevanter Daten im Apple-Ökosystem aus", heißt es in einer Stellungnahme. "Gleichzeitig nimmt der Konzern seine eigenen (Werbe-)Dienste jedoch von den geplanten Änderungen aus und sammelt selbst erhebliche Mengen Nutzerdaten." Diese Ungleichbehandlung wolle man beenden.

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Dass Apple die Umstellung trotz Ankündigung im Sommer erst jetzt umsetzt, war als Entgegenkommen gegenüber der Werbebranche begründet worden. Man wollte vor allem kleineren Apps und Diensten ermöglichen, die Änderungen umsetzen zu können, hatte Apple erklärt. 

Facebook als Kämpfer der Kleinen

Damit will man wohl auch eines der Hauptargumente Facebooks entkräften. Statt sich selbst und seine Verluste in den Vordergrund zu stellen, hatte sich der Werbe-Gigant immer wieder als Vertreter der kleinen Unternehmen darzustellen versucht, die nur durch Facebooks Datensammlung die nötige Aufmerksamkeit für ihre Produkte bekommen würden. Dazu hatte man sogar einen Musikclip produziert, der die Vorzüge der personalisierten Werbung mit schicker Optik und Ohrwurm-Potenzial bekräftigen sollte. Bei den Nutzern kam das aber wohl nicht an: Bei Youtube wurde der Clip von der überwältigenden Mehrheit negativ bewertet.

Der Konflikt zwischen Apple und Facebook schwelt schon länger. Hatte man Anfang des letzten Jahrzehnts noch eng zusammengearbeitet und sogar eine Schnittstelle zum Teilen von Fotos auf Facebook in iOS eingebaut, liefen die Wege schon seit Jahren auseinander. Während Apple Facebooks Datensammelei immer kritischer sah, wurde dem sozialen Netzwerk immer bewusster, welche Macht Apple über die wichtiger werdenden Apps des Unternehmens hatte. Apple konnte Updates verzögern und sogar Features unterbinden. Auch Apples Feature zur Überwachung und Beschränkung der eigenen Bildschirmzeit stand quer zu Facebooks Interesse, die Nutzer so lange wie möglich in den eigenen Diensten zu halten.

Keine Freunde

Auch auf persönlicher Ebene waren sich die Chefs nicht grün. Laut einem aktuellen Bericht der "New York Times" traf sich Facebook-Gründer Mark Zuckerberg zunächst noch regelmäßig mit dem Apple-Gründer Steve Jobs. Mit seinem Nachfolger Tim Cook konnte er eine solche Beziehung indes nicht aufbauen - im Gegenteil. Als Zuckerberg ihn bei einem Treffen 2019 gefragt habe, wie er mit dem Datenskandal um Cambridge Analytica umgehen solle, habe Cook "ätzend" geantwortet, er solle alle Daten löschen, die außerhalb des Netzwerks gesammelt worden seien. Zuckerberg soll "geschockt" reagiert haben, berichten Beobachter. 

Dabei war auch er durchaus zu harten Aussagen fähig. Man müsse Apple "Schmerzen verursachen" soll der Facebook-Gründer im privaten Gespräch getobt haben. Doch das hat bisher nicht geklappt. "Wir sind mit Apples Ansatz und Lösung nicht einverstanden, aber dennoch zum Schluss gekommen, dass wir leider keine andere Wahl haben, als Apples Einwilligungsaufforderung anzuzeigen", heißt es in einem Post des Unternehmens. "Andernfalls würde Facebook aus dem App Store ausgeschlossen werden, was den Unternehmen und Nutzern, die unsere Dienste nutzen, nur noch weiter schaden würde." Kämpferisch klingt das nicht.

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