Israelische Recherche Werbung als Waffe: Cyberspionage-Firmen jubeln Smartphones unentdeckt Staatstrojaner unter

Ein nur halb sichtbarer Hacker sitzt vor einem Monitor
Manche Online-Überwachung ist mittlerweile zur Waffe geworden
© FangXiaNuo / Getty Images
Möglicherweise ist die Nähe von Online-Überwachung zur Geheimdienstarbeit größer als man dachte. Der israelischen Zeitung "Haaretz" zufolge soll Online-Werbung nicht nur Geräte überwachen – sondern sie auch unentdeckt mit Trojanern infizieren.

Es ist keine wirklich neue Erkenntnis, dass nahezu alles, was wir im Netz so treiben, überwacht wird. Doch während digitale Werbegiganten wie Google oder Facebook riesige Datenberge anhäufen, nutzen offenbar auch immer mehr Geheimdienste das engmaschige Schnüffel-System der Werbetracker. Und spionieren auch selbst darüber.

Das geht aus einer ausführlichen Recherche der israelischen Zeitung "Haaretz" hervor. Dass der Bericht aus Israel stammt, ist sicher kein Zufall: Der kleine Mittelmeerstaat ist längst ein Hotspot für Cyberspionage-Firmen geworden, auch die berüchtigte NSO Group sitzt in Israel. Sie machte Schlagzeilen, weil sie sogar iPhones überwachen konnte. Doch die neueste Entwicklung geht noch einen Schritt weiter: Sie macht Online-Werbung zur Waffe.

Angriff aus der Bannerwerbung

Die Überwachungstechnologien der zivilen Cyberspionage-Dienstleister sind demnach so ausgereift, dass sie mit wenig Aufwand die Überwachung Hunderttausender oder gar Millionen von Menschen ermöglichen. "Jede Werbung wird dadurch zu einer Art digitale Kugel", sagt ein Insider der Zeitung. Die Werbebanner sammeln dabei nicht nur Daten über die Nutzer. Sondern können auch unentdeckt die genutzten Geräte mit Trojanern verseuchen, um so Kontrolle darüber zu bekommen.

Die Unternehmen haben dabei teils enge Bindungen an den israelischen Verteidigungssektor. Das Unternehmen Insanet etwa, dessen Existenz mit der Recherche zum ersten Mal überhaupt öffentlich gemacht wird, soll vom ehemaligen Chef des nationalen Sicherheitsrat des Landes, Dani Arditi, geleitet werden. Die Software des Unternehmens soll in der Lage sein, massenhaft Geräte wie Smartphones und PCs unentdeckt zu infizieren.

Gefährlich ist das auch, weil Insanet sein Programm "Sherlock", anders als die Konkurrenten, nicht als Dienstleistung anbietet – sondern die Software komplett als Paket verkauft. Obwohl die NSO Group bei der Auswahl ihrer Kunden wenig zimperlich ist und etwa auch für autoritäre Regime wie Saudi Arabien arbeitet, birgt das eine ungleich höhere Gefahr: Einmal verkauft, hat Insanet keine Kontrolle darüber, wem die Software weitergegeben wird. Mindestens einer der bisherigen Kunden ist laut "Haaretz" kein demokratischer Staat.

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Bisher kein Schutz

Eine weiterer besorgniserregender Teil des Berichts bezieht sich auf die Schutz vor den Attacken. Nach Einschätzungen von durch "Haaretz" befragte Experten ist bislang kein aktuelles Betriebssystem in der Lage, eine Infektion mit der Insanet-Software Sherlock zu verhindern. Und: Es sei auch nicht sicher, ob das überhaupt jemals technisch möglich sei, so die Zeitung.

Seit Jahren kämpfen die beiden wichtigsten Mobilsystem-Betreiber Apple und Google damit, die etwa von der NSO Group genutzten Lücken schnell wieder zu schließen. Da die neue Methode direkt die Funktionsweise der Werbenetzwerke für sich nutzen soll, müsste man diese komplett umbauen, um eine Spionage darüber zu verhindern. Bisher fehlen allerdings Details, um dies konkret zu bewerten.

Neue Qualität

Dass Sherlock tatsächlich mehr kann als die Konkurrenz, zeigt eine einfache Tatsache: Weil sie von bisher nicht entdeckten Sicherheitslücken, sogenannten Zero Day Exploits, abhängig sind, fokussieren sich die meisten der Spionage-Dienstleister auf ein einzelnes Betriebssystem – die NSO-Software Pegasus attackiert etwa nur iPhones. Sherlock kann aber Windows-PCs, iPhones und Android-Smartphones gleichermaßen angreifen.

Selbst der israelischen Regierung war das wohl nicht geheuer. Der Firma wurde offenbar mittlerweile die Lizenz eingeschränkt. Um sie zu verkaufen, muss die Firma demnach jedes einzelne Mal einen Antrag bei der Regierung stellen. Weil das Geschäft als Waffendeal bewertet wird.

Quelle: Haaretz

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