Falsche Traueranzeigen Wenn einen die Künstliche Intelligenz für tot erklärt

Grabsteine stehen in einer Reihe. Angehörige veröffentlichen meist Traueranzeigen, wenn jemand verstorben ist
Auch mit Tod und Trauer lässt sich im Netz Geld verdienen: Man nehme ein KI-Programm – und fertig ist die Traueranzeige
© BildFunkMV
Im Netz machen derzeit falsche Traueranzeigen und Nachrufe die Runde. Dahinter steckt ein Geschäftsmodell. Über die miese Masche der "Nachruf-Piraten".

In den USA bekommen aktuell falsche Traueranzeigen und Nachrufe viel Aufmerksamkeit. Eine Journalistin der "Los Angeles Times" musste kürzlich feststellen, dass online über sie eine ganze Reihe von Nachrufen kursiert. Die Reporterin erhielt besorgte Anrufe ihrer Angehörigen. Dabei ist sie sehr lebendig und hat jetzt einen langen Artikel über ein gruseliges Phänomen veröffentlicht, die "Obituary Pirates" also "Nachruf-Piraten". 

Wer diesen Begriff auf deutsch googelt, kommt nicht weit – man findet höchstens Nachrufe auf die Piraten-Partei. Im englischsprachigen Raum ist diese Online-Masche jedoch eine Erscheinung, die breiter diskutiert wird, nicht nur auf Portalen für Internet-Nerds.

Dabei kommen derzeit zwei unschöne Trends zusammen. Das Phänomen der "Obituary Pirates" gibt es schon länger: Dabei suchen solche "Nachruf-Piraten" das Internet nach Todesmeldungen von ganz normalen Personen ab, also in der Regel nicht von Prominenten. 

Menschen suchen nach Traueranzeigen im Netz – und finden auch falsche Todesmeldungen

Ziel ist es, eigene, neue Artikel zum Ableben dieser Menschen zu schreiben und zu veröffentlichen – in der Hoffnung, Klicks über Suchmaschinen zu generieren, wenn die Verstorbenen von ihren Freunden, Bekannten oder Verwandten gegoogelt werden.

Zwar ist das Suchvolumen im Einzelfall meist niedrig, schreibt "OMR", ein Portal für Online-Marketing. Dadurch jedoch, dass diese Artikel wenig Konkurrenz in der Suchmaschine haben und solche fabrizieren Todesmeldungen auf Websites gebündelt werden, lasse sich mit der Masche Geld verdienen – mit Online-Werbung, die beispielsweise auf Portalen mit Todesmeldungen geschaltet wird. Werbung im Netz wird automatisiert ausgespielt.

Aktuell profitieren solche "Nachruf-Piraten" zusätzlich davon, dass sich mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) einfach und schnell Online-Inhalte kreieren lassen. Das ist der zweite Trend, der die Masche aktuell befeuert. 

Die KI fasst die im Internet vorhandenen Informationen über den jeweiligen Verstorbenen zusammen, sammelt vielleicht noch Fotos auf Social Media ein und spuckt dann einen neuen Inhalt aus, der im Netz veröffentlicht wird. Das Fatale daran ist nicht nur, dass die Trauermeldungen zu kommerziellen Zwecken, also als Umgebung für Online-Werbung, missbraucht werden, sondern dass die KI in vielen Fällen auch fehlerhafte Informationen generiert – und Dinge hinzuerfindet.

Nicht nur eine Tote, sondern gleich ein verstorbenes Paar

So wurde jüngst beispielsweise der Fall einer Frau bekannt, die gestorben war – und deren Ex-Partner in den falschen Nachrufen gleich mit für tot erklärt wurde. Oder der tragische Unfall eines jungen Mannes, der in New York von einem Zug überfahren wurde. In gefälschten und vermutlich von KI generierten Inhalten wurde aus dem Unfall-Tod ein Mord, was dann sehr viel Aufmerksamkeit – sprich viele Klicks – im Netz generierte.

Nicht nur Texte, sondern auch Videos werden von "Obituary Pirates" erstellt. Die Reporterin aus Los Angeles wühlte sich durch eine ganze Reihe falscher Texte und Filme über ihren frei erfundenen Tod – und war sogar manchmal richtig ergriffen vor Trauer, wie sie schreibt. 

Oft seien die von KI erstellten Inhalte jedoch recht holprig geschrieben, heißt es in Meldungen zu dem Phänomen. Daran ließe sich auch erkennen, dass sie nicht echt seien.

Warum es überhaupt zu der Todesmeldung der kalifornischen Reporterin kam, habe sie trotz einer gründlichen Recherche mit Unterstützung von IT-Experten nicht herausfinden können, berichtet sie. 

In diesem – sehr prominenten – Fall wurden die gefakten Inhalte inzwischen gelöscht. Doch andere, weniger bekannte Menschen, werden immer wieder Opfer dieser Masche, die sich rechtlich in einer Grauzone bewegt und deren Urheber oftmals unbekannt bleiben, auch weil sie in Ländern außerhalb der USA sitzen. Es sei also schwer, dagegen vorzugehen, heißt es in mehreren Beiträgen.

Das Portal "OMR" nennt gleich mehrere Beispiele von fabrizierten Todesmeldungen und ist der Ansicht, dass das Phänomen durch die neuen Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz eine bislang "nicht gekannte Größe" annimmt.

Lesen Sie bei stern+: Über den Tod spricht man nicht gern im Berufsleben, wo alle funktionieren sollen. Trauercoach Cordelia Noe will das ändern. Ein Gespräch über die Fragen, die nach einem Verlust wichtig werden: Wann und wie können Trauernde in den Job zurückkehren? Und: Was können Kollegen für Trauernde tun?

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