Debatte um den Euro "Ohne Euro wäre es noch schlimmer"

Hat sich Deutschland am Euro verschluckt? Was hat die neue Währung der Wirtschaft gebracht? Im stern.de-Interview verteidigt Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, die Einführung der Währung.

stern.de Herr Professor Walter, 1997 haben Sie und viele weitere Ökonomen im "Manifest für den Euro" behauptet: "Der Euro stärkt Wachstum und sichert Arbeitsplätze." Wo sind die versprochenen Vorteile des Euro geblieben?

Walter Die Vorteile der gemeinsamen Währung von zwölf europäischen Staaten sind für Unternehmer und Konsumenten gleichermaßen evident: Einfache, verlässliche Preisvergleiche mit Implikation bessere Transparenz, das heißt funktionierender Wettbewerb; Vermeidung von Wechselgebühren und von Wechselkurssicherungskosten, dies erleichtert Allokationsentscheidungen im Währungsraum, das heißt Investitionen können verlässlicher renditeoptimierend sein; Deutschland gewinnt seit Jahren innerhalb der Währungsunion Marktanteile wegen der nachhaltigen Kostensenkung gegenüber den Partnern (reale effektive Abwertung).

Zur Person

Seit 1990 arbeitet Norbert Walter (60) als Chefvolkswirt der Deutschen Bank Gruppe. Zuvor war der Professor für Volkswirtschaft Direktor im Institut für Weltwirtschaft. Seit 2000 ist Walter Mitglied im Gremium der "Sieben Weisen" zur Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte bei der EU-Kommission in Brüssel.

In Deutschland sind die Konsumenten durch den "Teuro" verunsichert, der Wirtschaft macht der hohe Wechselkurs und der hohe Realzins zu schaffen. Wo sind die versprochenen Vorteile des Euro für Deutschland geblieben?

Im Urteil über die Bürger und einen Teil der veröffentlichten Meinung haben sich viele Euro-Befürworter getäuscht. Wie bei den tatsächlichen Preisniveauentwicklungen seit Etablierung der EZB das Verdikt "Teuro" Überlebenschancen haben konnte, ist eher eine Frage an den Psychotherapeuten als den Statistiker. Wie ein guter Journalist für die gut fünf Jahre Euro die Probleme desselben mit dem "hohen Wechselkurs" assoziieren mag, verstünde ich gern: Der Euro war wohl ebenso lange ebenso viel gegenüber dem Dollar unterbewertet, wie er seit gut zwei Jahren überbewertet ist. Wer sagt, dass Deutschland unter den hohen Zinsen leide, sagt ja wohl, dass die Bundesbank - falls noch geldpolitisch verantwortlich - einen niedrigeren Reposatz als zwei Prozent verwirklicht hätte! Irgend etwas muss ich da verschlafen haben!

Überwiegen für Deutschland heute die Nachteile des Euro?

Der Euro ist einfach von Vorteil! Falls Zweifel bestehen: Austreten und herausfinden!

Wäre es ohne Euro noch schlimmer?

Es wäre ohne den Euro noch schlimmer: Ja

Oder macht die EZB die falsche Politik? Wäre man im politikfreien Raum, so gäbe es eine Reihe von Korrekturen in der Geldpolitik, die vermutlich die Anpassungen in Wirtschaft und Gesellschaft erleichterten. Aber per Saldo ist die Schulnote für die EZB eine 2+, während der EU-Ministerrat eine 4-, die Kommissionen eine glatte 3 und die nationalen Regierungen wie der Ministerrat kaum die Versetzung erreichen. Dort und im Verhalten der Tarifparteien liegt Europas Malaise.

Die Fragen stellte Lorenz Wolf-Doettinchem