Opel-Krise Gewerkschaft zu Lohnverzicht bereit

Vor dem mit Spannung erwarteten Krisengipfel wegen Opel hat sich auch die Gewerkschaft IG Metall zu Wort gemeldet. Sie kann sich einen Lohnverzicht vorstellen, um dem angeschlagenen Automobilbauer zu helfen. Ob und wie groß die Unterstützung ausfallen soll, darüber streiten Staat und Experten.

Die IG Metall schließt einen Lohnverzicht für Beschäftigte des angeschlagenen Autoherstellers Opel nicht aus. Die Belegschaft müsse zu einem neuen Konzept beitragen, sagte Armin Schild, Bezirksleiter der IG Metall Frankfurt, dem Deutschlandradio Kultur am Montag. Das bedeute möglicherweise weitere Lohnverluste einer Belegschaft, die wie keine andere in den vergangenen Jahren verzichtet habe.

Aber auch die Politik müsse Opel aus der Krise helfen, forderte Schild. Man müsse verhindern, dass wegen Problemen beim Mutterkonzern General Motors ein eigentlich gut aufgestelltes Unternehmen kaputt gehe und Arbeitsplätze bei Opel und den Zulieferern abgebaut würden.

Bedingung für die Hilfe müssten ein Sitz für den Staat und ein Sitz für die Belegschaft zur Beaufsichtigung ihrer eingebrachten Mittel im Aufsichtsrat sein, sagte Schild laut dem Sender. Zudem stelle sich in den vergangenen Wochen mehr als zuvor die Frage, ob Opel mit einer anderen Mutter oder allein nicht besser fahren würde als mit GM, sagte Schild.

Experte warnt vor Versickern der Gelder

Unterdessen hat Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Norbert Walter vor einem Versickern deutscher Staatshilfe bei einem möglichen Konkurs des Opel-Mutterkonzerns General Motors (GM) gewarnt. "Man muss, gerade bei der Internationalität des Problems bei General Motors und Opel, sorgfältig darauf achten, dass eine staatliche Hilfe mit deutschem Steuergeld nicht dazu führt, dass wir etwas in die Konkursmasse überweisen", sagte Walter am Montag im ZDF-Morgenmagazin. Ansonsten sei weder den Arbeitern bei Opel noch den europäischen Autokäufern geholfen.

Systemrelevante Fragen müsse zwar der Staat regeln, sagte Walter. Der Staat dürfe aber nicht den Versuch machen, die besseren Automodelle zu entwickeln. "Ich glaube nicht, dass die deutsche Automobilindustrie besonders schwach im internationalen Wettbewerb ist und besonders gefährdet. Die großen Amerikaner sind mehr gefährdet", sagte der Chefvolkswirt. Zudem sollte auch eine Lösung für die Zulieferer von Opel bedacht werden. "Auch darüber wird, wie ich weiß, im Finanzministerium nachgedacht", sagte Walter.

Merkel trifft Opel-Chef

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) empfängt am Montag die Chefs des angeschlagenen Autokonzerns Opel, um mit ihnen nach einem Ausweg aus der Krise zu suchen. Man werde sich "Schritt für Schritt mit der Situation vertraut machen und nach Lösungsmöglichkeiten suchen", sagte Merkel vor dem Gespräch im Kanzleramt. Sie trifft sich mit dem Opel-Chef, dem GM-Europachef und dem Betriebsratsvorsitzenden. Im Detail wollen der Bund und die vier Bundesländer mit Opel-Werken am Dienstag über die Bürgschaften beraten.

Bei dem Treffen, an dem auch Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) teilnehmen, gehe es nur um Opel und nicht um die gesamte Branche, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums am Sonntag. Das Unternehmen bittet den Bund und die Länder mit Opel-Werken um eine Bürgschaft, die angeblich rund eine Milliarde Euro betragen soll. So soll der Fortbestand von Opel gesichert werden, auch wenn GM wegen der Absatzkrise in den USA in existenzielle Schwierigkeiten gerät.

Experte: Ohne Hilfe 100.000 Jobs gefährdet

Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer befürchtet einen drastischen Verlust von Arbeitsplätzen, wenn der Staat dem angeschlagenen Autobauer Opel nicht hilft. "Selbstverständlich kann man in so einer Situation, die in Deutschland mindestens 100.000 Arbeitsplätze betrifft, die Zulieferer mit nach unten reißen würde, nicht einfach sagen: Da hat der Staat nichts mit zu tun", sagte Dudenhöffer am Montag dem Bayerischen Rundfunk. Dogmatische Antworten würden jetzt nicht weiterhelfen. "Es steht sehr, sehr viel auf dem Spiel." Dudenhöffer warnte, mittelständische Unternehmen, die stark mit General Motors zusammenarbeiten, könnten kaputtgehen. "Diese Arbeitsplätze wären unwiederbringlich verloren, die könnten wir als Asche auf der Straße zusammenkehren."

Überlegungen zu einem Rettungspaket für die gesamte Branche wehrte Wirtschaftsminister Michael Glos dennoch ab: "Ich halte es für falsch, jetzt über ein großangelegtes Rettungspaket für die Automobilindustrie zu spekulieren", sagte der CSU-Politiker der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Ich sehe die Gefahr, dass sich eine Branche nach der anderen meldet", warnte er. Nach Ansicht von Glos ist die Senkung der Einkommensteuer der sinnvollere Weg, um etwas gegen die Absatzkrise zu tun. Zugleich forderte Glos von Opel und GM klare Garantien dafür, dass staatliche Hilfen nicht in die USA fließen. Deutschlandchef Demant hatte dies bereits zugesichert. Hessens Ministerpräsident Roland Koch dagegen forderte einen staatlichen Schutzschirm für die gesamte deutsche Autobranche. Danach wäre der Bund für große Krisen wie bei Opel zuständig, erläuterte Koch im "Handelsblatt".

Warnung vor Trittbrettfahrern

Finanzminister Steinbrück warnte vor Trittbrettfahrern, die sich unter dem Schutz der Krise Staatsgelder abholen wollten. "Wer seine Defizite selbst zu verantworten hat, der sollte nicht auf den Staat als Reparaturbetrieb bauen", sagte der SPD-Politiker der "Leipziger Volkszeitung". Klar sei aber, dass der Staat dieses und nächstes Jahr an manchen Stellen helfen müsse, um schlimmere Schäden für Deutschland zu verhindern. Es werde jedoch nicht "überall irgendwelche Branchen-Förderprogramme" geben. Steinbrück erteilte pauschalen Hilfen für die deutsche Autoindustrie eine klare Absage. "Ein generelles Konjunkturprogramm für die Automobilindustrie macht keinen Sinn. Der Staat kann die private Kaufkraft nicht ersetzen und ist auch nicht für die Fehler der Industrie verantwortlich", sagte Steinbrück der "Bild"-Zeitung.

Opel hat Werke in Rüsselsheim, Bochum, Kaiserslautern und Eisenach. Die rund 25.000 Opelaner in Deutschland hatten schon in den vergangenen Jahren große Opfer für Erhalt und Sanierung ihres Konzerns geleistet.

Der Mutterkonzern General Motors kämpft unterdessen in Amerika um dringend nötige Milliarden-Kredite. Die Demokraten wollen am Montag in den US-Kongress einen Gesetzentwurf einbringen, der den Autoherstellern den Zugang zu dem 700 Milliarden Dollar schweren Hilfspaket für die Finanzbranche öffnen soll. Die Republikaner und Präsident George W. Bush sind bisher dagegen.

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Reuters/DPA/AP