Gesundheitsreform Kopfpauschale durch die Hintertür

Der Entwurf von SPD und Union zur Gesundheitsreform bringt Kopfpauschale und Bürgerversicherung unter einen Hut. SPD-Linke und DGB sind jedoch vergrätzt von den Regierungsplänen.

SPD-Linke und der DGB haben die große Koalition im Streit über eine umfassende Gesundheitsreform vor der Einführung einer Kopfpauschale durch die Hintertür gewarnt. Unions-Fraktionschef Volker Kauder hatte im stern das Konzept eines Gesundheitsfonds publik gemacht. In diesem Fonds sollen alle Krankenkassen-Beiträge gesammelt werden, außerdem Steuern, mit denen die Versicherung der Kinder finanziert werden soll.

DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer befürchtet eine "Entsolidarisierung durch die Hintertür". Bei den Plänen sieht Engelen-Kefer die Gefahr in Form der "Kopfpauschale, des Einfrierens der Arbeitgeberbeiträge und der weiteren Privatisierung gesundheitlicher Risiken.". Sollten Ausgabensteigerungen im Medizinbereich künftig über einen Gesundheitsfonds und Kopfpauschalen finanziert werden, "dann haben wir den Einstieg aus dem Ausstieg der solidarischen Krankenversicherung". Für die Arbeitgeber bedeute dies Entlastung von künftigen Kostensteigerungen, "denn die sind dann ja nicht mehr im Boot".

Nachteile beider Konzepte werden kombiniert

Nach Meinung des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach wird der neue Vorschlag "die Verhandlungen nicht leicht machen". Zwar ermögliche der Plan mehr Wettbewerb im Gesundheitssystem, diesen müssten die Patienten aber mit zusätzlichen Prämien aus der eigenen Tasche bezahlen, kritisierte der SPD-Bundestagsabgeordnete im ZDF.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hatte erklärt, Kauders Vorstellungen zeigten die Möglichkeit, "die Vorzüge gegensätzlicher Konzepte miteinander zu verbinden". Lauterbach widersprach: Es bestehe die Gefahr, dass die Nachteile der Konzepte beider Parteien kombiniert würden, sagte Lauterbach, der Mitglied der zuständigen Koalitionsarbeitsgruppe ist.

"Der Kern ist da"

Dabei ist es überraschend genug, dass jetzt überhaupt ein Konzept auf dem Tisch liegt, über das diskutiert werden kann. Kritiker hatten befürchtet, die Einheitsprämie à la CDU und Bürgerversicherung nach Art der SPD seien unvereinbar. Mit einer völligen Umgestaltung des Finanzierungssystems wollen die Parteien nun ihre Handlungsfähigkeit demonstrieren. "Der Kern ist da", heißt es.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) hätten sich bereits auf das Fondskonzept geeinigt, hieß es. Der Sprecher Münteferings sagte jedoch, es gebe noch keine Festlegung auf einzelne Instrumente.

Gleicher Betrag für alle

Den Plänen zufolge bekommen die Krankenkassen für jeden Versicherten den gleichen Betrag aus dem Fonds. Erhoben würden die Beiträge für den Fonds jedoch unterschiedlich nach Leistungsfähigkeit. Kauder sagte, es sei "eine interessante Möglichkeit", aus einem "Fonds, in dem alle Beiträge gesammelt werden, eine bestimmte Summe pro Versicherten an die Kasse zu zahlen". Nehmen die Versicherten dieses Gesundheitsguthaben nicht in Anspruch, könnten sie möglicherweise etwas zurückerstattet bekommen.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) begrüßte, "dass man sich nun neuen, solidarischen Wegen der Finanzierung öffnet". Kauders Vorstellungen zeigten die Möglichkeit, "die Vorzüge gegensätzlicher Konzepte miteinander zu verbinden". Über die genaue Ausgestaltung der Reform werde in den kommenden Wochen aber noch zu sprechen sein.

16 Köpfe - ein Ziel

Eine 16-köpfige Arbeitsgruppe will der Koalitionsspitze am 1. Mai Vorschläge unterbreiten. Während die Union eine einheitliche Gesundheitsprämie mit einem Steuerausgleich für Sozialschwache will, sieht der SPD-Plan einer Bürgerversicherung einkommensabhängige Beiträge vor.

Mehr Gerechtigkeit wird laut Kauder erreicht, wenn die Kosten für die gesetzliche und private Kinder-Krankenversicherung von 14 bis 16 Milliarden Euro pro Jahr nicht mehr beitrags-, sondern steuerfinanziert sind. Die Kassenbeiträge könnten so um rund 1,5 Punkte sinken und Arbeit billiger werden.

Schmidt, die sich bisher skeptisch zu einer Steuer-Teilfinanzierung der Krankenversicherung gezeigt hatte, sagte bereits am Freitag, als zusätzliche Mittel neben Kassenbeiträgen "gibt es nicht viel außer Steuern".

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DPA/nk