LUFTVERKEHR Das Vertrauen in die Sicherheit blieb brüchig

Über den Wolken war die Freiheit - und das Vertrauen in die Airlines einst genzenlos. Der 11. September 2001 belehrte die Passagiere nachhaltig eines besseren.

Es war der Tag, an dem das Vertrauen zerbrach. Als die Terroristen am 11. September 2001 vor den Augen der Welt zwei Passagierjets in die Türme des World Trade Center in New York jagten, zerstörten sie auch den Glauben an die Sicherheit des Fliegens. Wie nach keinem Absturz zuvor keimte die Furcht vor einer unheimlichen Bedrohung - Flugzeuge als Waffen von unvorstellbarer Kraft. Ein Jahr danach ist der Schock verblasst. Schärfere Kontrollen gehören zum Alltag, Reisende buchen langsam wieder mehr. Aber das Trauma ist nicht verflogen. Piloten und Flugbegleiter in Deutschland fordern eine strengere weltweite Überwachung von Flughafenpersonal.

Am Jahrestag mag keiner fliegen

Zum Jahrestag der Katastrophe bekommen Fluggesellschaften die späten Folgen des Schreckens erneut zu spüren. Aus Mangel an Buchungen hat die größte europäische Airline British Airways ein Drittel ihrer für den Tag geplanten Transatlantikflüge gestrichen. Bei Air France bleiben einige Maschinen mit eigentlichem Ziel USA am Boden, die Deutsche Lufthansa lässt drei Flüge von Frankfurt nach New York, Boston und Washington ausfallen. Auch einige Piloten und Stewardessen haben gebeten, an diesem Tag nicht in die USA fliegen zu müssen - wenn auch nur sehr wenige.

Technische Systeme sind verwundbar

»Den Menschen ist stärker als jemals vorher die Verwundbarkeit technischer Systeme klar geworden«, sagt Prof. Ortwin Renn, Leiter der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Stuttgart. »Das ist geblieben. Und es gibt eine höhere Sensibilität.« Die Ängste des 11. September sind leicht mobilisierbar, sobald ein Zwischenfall nur die Spur eines terroristischen Hintergrunds befürchten lässt. Als es am US-Nationalfeiertag im Juli im Flughafen von Los Angeles zu einer Schießerei kam, löste die Räumung des Airports chaotische Szenen aus. In Deutschland weckten Nachrichtendienstwarnungen im Juni die Sorge, Jets könnten in Flughafennähe ins Visier genommen werden.

Leichte Normalisierung

Mit scharfen Blicken ins Handgepäck, schusssicheren Cockpittüren und bewaffneten Polizisten an Bord haben die Sicherheitsbehörden auf Bedrohungsszenarien durch Selbstmordattentäter reagiert. Nach den Anschlägen holten die in Sonderschichten arbeitenden Sicherheitsleute tausende Messer, Nagelfeilen und spitze Gegenstände aus den Taschen. Reisende mussten ihre Schuhe ausziehen und kontrollieren lassen. Inzwischen dürfen Maniküre-Sets mit kleinen Feilen und Nagelknipsern beim Einchecken wieder mit, heißt es im Bundesinnenministerium. Dies gilt aber weiter nicht für Flüge nach Israel und in die USA und Flüge mit britischen Airlines.

Prominente werben für's Fliegen

Behutsam haben Fluggesellschaften und Politik in den vergangenen Monaten versucht, das Sicherheitsempfinden der zögerlichen Fluggäste wieder zu stärken. Auch wegen der schwachen Wirtschaftslage liegen die Passagierzahlen aber weiter deutlich unter der Zeit vor dem 11. September 2001. »Die Terroristen dürfen ihr Ziel, den internationalen Flugverkehr lahm zu legen, nicht erreichen«, warb sogar Bundeskanzler Schröder um Vertrauen in die Luftfahrt. In Lufthansa-Anzeigen taten es ihm Prominente wie Kardinal Karl Lehmann oder Ex- Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher nach.

Kontrollen für Flughafenmitarbeiter

Dank schärferer Kontrollen und technischer Nachrüstungen ist das Fliegen sicherer geworden, heißt es bei der Pilotenvereinigung Cockpit und der Unabhängigen Flugbegleiter-Organisation (UFO). Stewardessen und Stewards sind nach wie vor besonders wachsam, sagt UFO-Sprecher Peter Jacobus. Dringend verschärft werden müssen aus Sicht beider Verbände aber die weltweiten Sicherheitsvorschriften für Arbeiter, die an Flughäfen Jets beladen oder warten. Sie dürften wie Crews und Fluggäste nur Zugang zu Maschinen erhalten, wenn sie durch Sicherheitsschleusen gegangen sind, fordert Cockpit-Sprecher Georg Fongern. Einen Ausweis vorzuzeigen, reicht nicht.

Restwagnis bleibt

Schon immer war das Reisen über den Wolken Faszination und ein Rest an Wagnis zugleich. »Je ausgefeilter und sensibler Technologien sind, desto wichtiger ist aber die Aufmerksamkeit des Menschen«, erläutert Techniksoziologe Renn. »Flugzeuge sind eine Technik, die zu Dingen verhilft, die mit menschlichen Kräften nicht möglich sind.« Unter Technikern gibt es derzeit Diskussionen, das Ausmaß denkbarer Katastrophen zu begrenzen. Dies ist auch bei Prestigeprojekten wie dem Super-Airbus A 380 mit mehr als 500 Passagieren zu bedenken.