Mängel bei Beratungsprotokollen Banker schlampen bei Risikoaufklärung

Seit 2010 müssen Beratungsgespräche in Banken protokolliert werden. Klingt gut in der Theorie. Doch die Praxis offenbart gravierende Mängel, monieren Verbraucherschützer.

Risikoneigung, die Höhe der monatlichen Ein- und Ausgaben sowie die Anlageziele - Details wie diese werden in einem Beratungsprotokoll festgehalten. Denn seit 2010 müssen Gespräche zwischen dem Geldanlageberater in der Bank und dem Kunden dokumentiert werden. Im Streitfall soll so nachweisbar sein, wer an welcher Stelle möglicherweise Fehler gemacht hat.

"Die Protokolle wurden eingeführt, damit Anleger nachvollziehen können, warum eine bestimmte Anlageempfehlung ausgesprochen wurde", erklärt Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Berlin. Ziel war es, damit die Rechte der Kunden zu stärken. Doch aus Sicht von Experten klappt das häufig nicht. Denn oft geben die Protokolle nicht das wieder, was wirklich besprochen wurde. "Das Beratungsprotokoll ist derzeit nicht geeignet, die Verbraucher wirksam vor Falschberatung zu schützen", bemängelt Mohn.

Protokolle oft mangelhaft

So ergab eine am Mittwoch in Berlin vorgestellte Untersuchung des vzbv in Zusammenarbeit mit dem Institut für Finanzdienstleistungen (iff) in Hamburg, dass viele Protokolle gravierende Mängel aufweisen. Insgesamt 50 Mal wurden Tester mit einer vorher festgelegten Legende in verschiedene Bankfilialen geschickt und die Beratungsprotokolle anschließend ausgewertet. Dabei ging es jeweils darum, ein Wertpapierdepot zu überprüfen.

Kreditwirtschaft kontert: Studie nicht repräsentativ

"Kein einziges Protokoll enthält alle relevanten Daten", kritisiert Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. In etwa der Hälfte der Papiere wurden die Einnahmen oder Ausgaben falsch dokumentiert. Vermögen und Verbindlichkeiten wurden nur in einem Fall vollständig festgehalten. Die Risikobereitschaft des Anlegers, wesentlich für eine Produktempfehlung, wurde nicht nach den Angaben des Testkunden beschrieben, sondern anhand willkürlich gewählter Begriffe. Außerdem sollten die Tester die Protokolle in einigen Fällen unterschreiben, obwohl das gesetzlich nicht verlangt wird. In einigen Fällen wollten die Berater die Protokolle dem Anleger zudem auch auf Nachfrage nicht aushändigen.

Die Deutsche Kreditwirtschaft als Dachorganisation von Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken teilte mit, die Kritikpunkte sollten geprüft werden. Angesichts von Millionen Protokollen im Jahr sei die Studie mit nur 50 Fällen aber nicht repräsentativ. Wie Beschwerde-Auswertungen zeigten, sei "die ganz überwiegende Zahl der Kunden sehr zufrieden" mit den Aufzeichnungen.

Verbraucherschützer fordern Finanzaufsicht mit Biss

Dagegen sagte vzbv-Vorstand Gerd Billen, die Protokollpraxis zeige, dass eine Aufsicht "mit Biss" erforderlich sei. Der Finanzmarkt benötigt zudem "ein Frühwarnsystem, das Mängel und Missstände aufdeckt und hilft, sie abzustellen." Die von der schwarz-gelben Koalition geplante Aufstockung der Mittel für die Stiftung Warentest um jährlich 1,5 Millionen Euro sei zu begrüßen. Dies reiche aber nicht aus, da die Stiftung testen und informieren, aber nicht regulieren könne.

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Worauf es Bankberatungs-Protokollen ankommt

Mitschreiben: Zwar ist es Aufgabe der Banken, das Beratungsprotokoll anzufertigen. "Allerdings können auch Verbraucher Notizen von dem Gespräch mit dem Anlageberater machen oder sogar ein Tonbandgerät mitlaufen lassen", empfiehlt Verbraucherschützer Nauhauser. Während des Gesprächs sollten sich die Kunden zudem genau über Vor- und Nachteile sowie über die Kosten der angebotenen Anlagen aufklären lassen und das ebenfalls schriftlich festhalten.

Die eigenen Notizen sollten dann dem Berater vorgelegt werden. "Dieser zeichnet das dann idealerweise ab", sagt Nauhauser. Mit diesen Notizen könnten unkonkrete oder fehlende Angaben in den Protokollen ergänzt werden. Eine andere Möglichkeit sei es, eine Vertrauensperson als Zeugen zu dem Beratungsgespräch mitzunehmen.

Angaben kontrollieren: Auch wenn das Gespräch mit dem Anlageberater nett und das Ergebnis für beide Seiten zufriedenstellend war - nach dem Ende einer Anlageberatung sollten Anleger auf jeden Fall einen kritischen Blick auf das Protokoll werfen. Denn die Angaben sollten vollständig sein und auch den Tatsachen entsprechen, erklärt Verbraucherschützer Nauhauser.

Nachbesserungen verlangen: Fehlende Angaben, Textbausteine oder unverständliche Formulierungen sollten Verbraucher nicht einfach hinnehmen. "Im Zweifel sollte man den Berater auffordern, die Angaben in dem Protokoll zu konkretisieren", empfiehlt der Anlegeranwalt Julius Reiter aus Düsseldorf. "Anleger erkennen oft nicht, wie weitreichend bestimmte Formulierungen sind." Daher sollten Kunden sich nicht scheuen, missverständliche Passagen streichen zu lassen. Ebenso könnten fehlende Angaben ergänzt werden. Ein seriöses Geldinstitut wird sich auf eine solche Forderung vermutlich auch einlassen.

Nicht unterschreiben: Beratungsprotokolle können in einem Rechtsstreit ein großes Gewicht bekommen. Bei der Bewertung der Anlageberatung sei das Dokument eine für Richter wichtige Grundlage. "Man sollte das Papier nicht unterschreiben", empfiehlt Anlegeranwalt Reiter. Denn so würden Anleger bestätigen, dass alle Angaben im Protokoll der Wahrheit entsprechen. "Das kann in einem Prozess dann gegen den Anleger verwendet werden."

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joe/DPA