Wer von seiner Riester-Rente profitieren möchte, muss mitunter ein biblisches Alter erreichen. Um das Eingezahlte herauszubekommen, muss ein 35-Jähriger, der heute einen Riester-Vertrag abschließt und mit 67 in Rente geht, bei einigen Verträgen 90 Jahre alt werden. Erst dann kommt er in den Genuss von Zinsen oder erwirtschafteter Rendite. Das ist das Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, die am Mittwoch vorgestellt wurde.
Für die Riester-Rente ziehen die Macher der Studie eine ernüchternde Bilanz: "Man kann nicht sagen, dass es sich hier um eine gute Anlage handelt", sagt die DIW-Wissenschaftlerin Kornelia Hagen. Das Problem sei die magere Rendite: Die Zulagen vom Staat würden fast vollständig von den Kosten für das Finanzprodukt aufgefressen.
Werden Überschusszahlungen in die Rechnung einbezogen, erhält der 35-jährige Mustersparer mitunter auch schon im Alter von 85 sein Geld zurück. Sollte die Versicherung jedoch in die Krise geraten und nur die über den Garantiezins gesicherte Mindestauszahlung leisten, müsste die Person 109 Jahre alt werden, um ihr Investment zurückzubekommen. "Riester-Sparer werden in vielen Fällen nur so viel Rendite erzielen, als hätten sie ihr Kapital im Sparstrumpf gesammelt", sagt Hagen.
Die Versicherungswirtschaft profitiert von Riester
Und die Situation hat sich in den vergangenen Jahren noch verschlimmert. Zum Vergleich: Ein 35-Jähriger, der 2001 einen Riester-Vertrag abgeschlossen hatte, konnte noch damit rechnen, dass er ab einem Alter von 78 Jahren sein eingezahltes Geld wieder raus hatte - bei einem Renteneintrittsalter von 67. Woran liegt das?
Die Studie nennt gleich mehrere Gründe für die Verschlechterung der Verträge seit Einführung der Riester-Rente. Zum einen ist der Garantiezins von ehemals 3,25 Prozent auf nur noch 2,25 Prozent gesunken. Zum anderen kalkulieren die Versicherer mit sehr hohen Lebenserwartungen. "Dazu gibt es leider keine gesetzlichen Vorgaben", sagt DIW-Expertin Hagen. Schon die gängigen Statistiken würden 50-Jährigen eine Lebenserwartung von bis zu 95 Jahren unterstellen. Manche Unternehmen gingen gar von bis zu 103 Jahren für heute 50-Jährige aus.
Ein weiteres Problem ist die Kostenstruktur. So wurde laut DIW die Aufteilung der Überschussbeteiligung zu Ungunsten der Sparer verändert. Der Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Gerd Billen, fordert daher "einheitliche und detaillierte Vorgaben des Gesetzgebers für Kostenberechnungen, Renditeerwartungen und Risikoprofile". Die zulässigen Kosten für Vertrieb und Verwaltung müssten gesetzlich begrenzt werden. Entsprechende Vorschriften beispielsweise über die Höhe der Vermittlungsprovision fehlen derzeit. "Ich gehe davon aus, dass die Anbieter bisher gut an den Riesterprodukten verdient haben", sagt Hagen.
Staatliche Zulagen werden nicht abgerufen
Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) kritisiert die "Stimmungsmache gegenüber der Riester-Rente" durch das DIW. Die Aussage, Riesterprodukte rentieren sich nicht, sei falsch. Richtig sei vielmehr, "dass sich für die allermeisten Bürger, insbesondere Geringverdiener und Familien, keine Vorsorge so gut rechnet wie die Riester-Rente". Der Verzicht auf Riester würde einen Verzicht auf eine attraktive staatliche Förderung und auf ein zusätzliches Alterseinkommen bedeuten.
Zu empfehlen ist der Abschluss einer Riester-Rente tatsächlich nur wegen der staatlichen Zulagen: Der Staat fördert das Riestern bis zu einer Summe von 2100 Euro im Jahr, wenn mindestens vier Prozent des Einkommens in diese Form der Altersvorsorge investiert werden. Dennoch nehmen viele der 15 Millionen Riester-Sparer ihre Zulagen nicht in Anspruch. Der in der vergangene Woche vorgestellte "Vorsorgeatlas Deutschland" zeigt: 23 Prozent der Berechtigten haben es versäumt, für das Jahr 2008 entsprechende Anträge zu stellen.
In der Summe entgehen den Sparern so 1,3 Milliarden Euro. Und ohne diese staatliche Förderung rechnet sich das Riester-Modell erst recht nicht. Verbraucherschützer fordern deshalb ein Vorsorgekonto des Staates für jeden Bürger nach skandinavischem Vorbild. "Die Regierung lässt die Menschen sehenden Auges in die Altersarmut treiben", sagt Verbraucherzentralen-Chef Billen. "Es ist Zeit, dass jemand das Ruder in die Hand nimmt."
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