Die Grünen-Spitze hat vor weiteren Sparrunden in den laufenden Chefgesprächen über den Bundeshaushalt 2004 gewarnt. Am Ende gerate man in einen deflationären Teufelskreis, sagte Grünen-Chef Reinhard Bütikofer in der 'Financial Times Deutschland' offensichtlich an die Adresse von Finanzminister Hans Eichel (SPD) gerichtet. Agrarministerin Renate Künast (Grüne) will nach einem Bericht der 'Berliner Zeitung' durch Abbau von Subventionen für die Landwirtschaft 500 Millionen Euro in ihrem Ressort sparen.
Die Haushaltskonsolidierung bleibe zwar Ziel grüner Politik, sagte Bütikofer. Aber "es wäre geradezu verwegen zu glauben, dass man die Haushaltslöcher, die durch die schwächelnde Konjunktur entstehen, durch ein noch drastischeres Sparen füllen kann." Deutschland werde das mittelfristige Ziel eines ausgeglichenen Haushalts nicht ohne konjunkturellen Aufschwung erreichen.
Gesamtwirtschaftliche Leistung tritt auf der Stelle
Die Bundesbank rechnet nach einem Bericht der 'Financial Times Deutschland' für 2003 nur noch mit einem Wirtschaftswachstum von 0,1 bis 0,2 Prozent. Eine Deflationsgefahr sieht Bundesbank-Vorstandsmitglied Hermann Remsperger aber nicht. Damit würde die gesamtwirtschaftliche Leistung wie bereits 2002 fast auf der Stelle treten. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) hatte im vergangenen Jahr real um 0,2 Prozent zugelegt. Die Bundesregierung blieb für 2003 bei ihrer Wachstumsprognose von rund 0,75 Prozent.
Teurerer Agrardiesel
Künast erwägt dem Bericht zufolge unter anderem eine schrittweise Verteuerung des so genannten Agrardiesels. Als Ausgleich für den Abbau der steuerlichen Förderung des Diesels seien Zuschüsse für regenerative Treibstoffe im Gespräch. Deutsche Landwirte zahlen derzeit einen ermäßigten Steuersatz auf Diesel von 21,4 Cent je Liter. Künast und Eichel wollten über die Maßnahmen in dieser Woche verhandeln. Ein Sprecher des Finanzministeriums wollte dazu keine Stellungnahme abgeben. Das Kabinett entscheide nach den Einzelgesprächen Ende Juni über den Etat.
Grüne befürchten "medialen Wellenschlag"
Grundsätzlich mahnte der Grünen-Vorstand am Dienstag die eigenen Abgeordneten in der Etat- und Reformdebatte zur Zurückhaltung mit zusätzlichen Sparvorschlägen. Das schwierige Geschäft der Etat-Aufstellung solle nicht durch "medialen Wellenschlag" erschwert werden. Bütikofer wandte sich besonders gegen Forderungen der hessischen Grünen für den Parteitag am kommenden Wochenende in Cottbus, bei der Steuerreform den Spitzensteuersatz nur auf 45 Prozent und nicht auf 42 Prozent zu senken. Die Körperschaftsteuer soll danach dauerhaft von 25 auf 30 Prozent erhöht werden.
Grüne Forderung: Pendlerpauschale runter
Die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Antje Hermenau, forderte in der 'Leipziger Volkszeitung' erneut eine Senkung der Pendlerpauschale. Die Pauschale habe ihre jetzige Ausgestaltung zu einer Zeit erhalten, als der Ölpreis sehr hoch war. "Heutzutage ist die Pauschale erst recht zu großzügig und entspricht nicht mehr den tatsächlichen Aufwendungen, bei keinem Verkehrsmittel."
Steuerreform vorziehen, aber nicht auf Kosten des Schuldenhaushalts
Hermenau brachte trotz der Dementis von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Finanzminister Eichel auch erneut das Vorziehen der Steuerreformstufe 2005 auf Anfang 2004 ins Gespräch. "Das wäre ein wichtiges konjunkturpolitisches Ziel", sagte sie dem 'Tagesspiegel' Dieser Schritt mit Steuerausfällen von rund 18 Milliarden Euro dürfe jedoch nicht mit Schulden finanziert werden. Sie müssten zusätzlich zu den für den Haushalt 2004 vorgegebenen 15 Milliarden Euro eingespart werden. Zur Gegenfinanzierung forderte Hermenau einen Subventionsabbau von 30 Prozent in drei bis vier Jahren.