In Eckhorst sind einige Anwohner stocksauer. In dem kleinen Dorf bei Lübeck sollen Straßen saniert werden - und die Anwohner, deren Grundstücke an die Fahrbahn angrenzen, sollen dafür zahlen. "Die Planungen für unser Alter werden über den Haufen geworfen", berichtet eine Anwohnerin gegenüber "Markt", dem Verbrauchermagazin des NDR.
Konkret geht es um eine Sackgasse am Rande des Dorfes, die in die Felder führt. Die Straße ist in einem jämmerlichen Zustand: Schlaglöcher und Risse säumen die Fahrbahn. Die Sanierung soll 575.000 Euro kosten - und diese Summe soll bis zu 90 Prozent auf die wenigen Anwohner der Straße aufgeteilt werden, berichtet der "NDR".
"Schildbürgerstreich" nennen die Anwohner den Plan, sie sprechen von "Horrorbeträgen". Denn die Straße würde kaum befahren. Nun soll die Straße aufgemotzt werden, ein Gehweg gebaut werden. Bezahlen sollen sie das Projekt größtenteils selbst.
Anwohner müssen für Straßen zahlen
Wann und ob Anwohner für neue Straßen zahlen müssen, ist in Deutschland sehr unterschiedlich. Geregelt wird das im Kommunalabgabengesetz (KAG) der einzelnen Länder. Bei Anliegerstraßen zahlen die Eigentümer 60 bis 90 Prozent der Baukosten, bei Haupterschließungsstraßen sind es zwischen 50 und 60 Prozent und bei Hauptverkehrsstraßen sind es zwischen 25 und 60 Prozent. Die Höhe der Kosten hängt auch von der Größe des Grundstücks ab. Für mehrgeschossige Häuser oder gewerblich genutzte Immobilien sowie Eckgrundstücke fällt der Betrag höher aus. Eigentlich halten Straßen - je nach Benutzung - bis zu 40 Jahren, bevor sie umfassend saniert werden müssen. "Die Kommunen lassen über Jahrzehnte ihre Straßen 'vergammeln', obwohl sie die Pflicht zur laufenden Unterhaltung haben", sagt Tibor Herczeg, Landes-Geschäftsführer des Verbands Wohneigentum Niedersachsen.
Straßenbaukosten sind "Enteignung"
Während die Anwohner in Schleswig-Holstein zahlen müssen, sind Bürger in Baden-Württemberg und seit 2016 ebenfalls Hamburger befreit. Auch in Niedersachsen werden Anwohner zur Kasse gebeten, berichtet der "NDR". So musste ein Landwirt im niedersächsischen Oldenburg, der ein Stück Land an die Kommune verkaufte, damit dort ein Neubaugebiet entsteht, eine saftige Rechnung zahlen. Denn noch bevor dort Häuser standen, wurde die Straße angelegt. Kostenpunkt für den Bauern: Knapp 45.000 Euro. Da er über diese Summe nicht verfügte, musste er weitere Grundstücke verkaufen. Von "Enteignung" spricht der Landwirt.
Nicht alle Kosten müssen Eigentümer hinnehmen. Die Instandhaltung, also das Ausbessern von Schlaglöchern oder Rissen, muss die Kommune alleine zahlen. Erst wenn die Straße erneuert wird oder gar eine ganz neue Straße entsteht, werden die Anwohner zur Kasse gebeten. Gegner argumentieren, dass diese Form der Finanzierung ungerecht sei. Schließlich seien Straßen öffentlich zugänglich und müssten daher auch von der Öffentlichkeit bezahlt werden. Die Gegenseite sieht das anders. Würden die Straßenausbaubeiträge abgeschafft, würde das eine Kluft zwischen reiche und arme Gemeinden treiben. Denn vermögende Gemeinden könnten locker auf die Finanzierung durch Anwohner verzichten, doch ärmere Kommunen könnten sich das nicht leisten. Das könnte schnell zu einem Standortvorteil werden.
Eckhorst erringt Teilerfolg
In Eckhorst zumindest konnten die Anwohner einen Teilerfolg verbuchen. Die zuständige Gemeinde hat zugesichert, dass die Straße günstiger werden soll. Nun wird geprüft, ob in der Sackgasse zum Feld auf einen Bürgersteig verzichtet werden kann.