Die Bundesregierung ist sich sicher: Die neuen Minijob-Regeln sind eine Erfolgsstory. Verdienste bis 400 Euro sind seit April für die Arbeitnehmer abgabenfrei und damit wieder attraktiv. Insgesamt 6,7 Millionen Bürger haben den Angaben zufolge bislang ihre geringfügige Beschäftigung angemeldet. Im September betrug der Anstieg im Vergleich zum Vorjahresmonat 43 Prozent. Doch bei genauem Hinsehen hat die Erfolgsgeschichte ein paar Kratzer.
So haben die neuen Beschäftigungsverhältnisse beispielsweise fast gar nicht zum Abbau der Arbeitslosigkeit beigetragen, wie der Erste Direktor der Bundesknappschaft, Georg Greve, bestätigt. Die Begründung dafür liegt auf der Hand: Minijobber kommen größtenteils aus der so genannten stillen Reserve, sind also Rentner, Hausfrauen und Studenten.
Kampagne gegen Schwarzarbeit in Privathaushalten
Dringenden Handlungsbedarf sieht die Knappschaft bei den privaten Haushaltshilfen. Hier ist Schwarzarbeit so weit verbreitet wie nirgendwo sonst. Bundesweit haben nur etwa 5.600 Arbeitgeber ihre Haushaltshilfen, Babysitter und Gärtner angemeldet. Greve nennt das einen volkswirtschaftlichen und rechtlichen Skandal, denn rund 98 Prozent aller Haushaltshilfen arbeiten nach seinen Schätzungen illegal.
Um dieser "extrem unbefriedigenden" Situation ein wenig beizukommen, startet die Bundesknappschaft deshalb eine Kampagne in Zeitungen und Zeitschriften. Unter dem Motto "Sie brauchen ihre Haushaltshilfe nicht zu verstecken" wird in den kommenden Wochen ein Flyer in viele Briefkästen flattern. In "moderater, nicht zu aggressiver Weise" solle damit der private Arbeitgeber an seine Pflicht erinnert werden.
Greve beklagt vor allem ein Informationsdefizit. Viele wüssten gar nicht, wie einfach die Anmeldung bei der Bundesknappschaft von statten gehe, meint er. Außerdem ließen sich die Auwendungen für Babysitter und Putzfrauen steuerlich absetzen. Rund 200 Millionen Euro werden nach Schätzungen der Behörden durch häusliche Schwarzarbeit jährlich an den Sozialkassen vorbeigeschleust.
Amerikanisierung des deutschen Arbeitsmarktes befürchtet
In die Minijob-Lobeshymnen kann Lutz Kaiser, Arbeitsmarktexperte vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung, nicht so recht einstimmen. Durch Minijobs werde die Arbeitslosigkeit nicht bekämpft, es entstünden keinen neuen Stellen, ist er sich sicher. Außerdem befürchtet der Fachmann eine Amerikanisierung des deutschen Arbeitsmarktes. Wer könne schon von 400 Euro leben, fragt er. Das große Heer der geringfügig Beschäftigten sei zudem von der Mitbestimmung und tariflichen Regelungen so gut wie ausgeschlossen. Auch entstünden nur sehr geringe Rentenansprüche. Altersarmut und der Rückgriff auf staatliche Unterstützung seien damit programmiert.
Nach den Statistiken der Bundesknappschaft sind Minijobber vor allem im Hotel- und Gaststättengewerbe, als Dienstleister im Wohnungswesen, als Verkäufer und als Zeitungszusteller tätig. Besonders beliebt sind die Ferienregionen in Bayern und Baden-Württemberg. Eine große Diskrepanz besteht zwischen Ost und West. In den neuen Bundesländern sind den Angaben zufolge nur 14 Prozent aller Minijobber gemeldet. Wie erwartet, sind diese Tätigkeiten vor allem für Frauen attraktiv. Sie machen rund 65 Prozent der Minijober aus.
Susann Kreutzmann, AP