Die Chefs von sieben führenden Wirtschaftsforschungsinstituten haben die Bundesregierung aufgefordert, ihre Pläne zum Ausbau von Mindestlöhnen zurückzuziehen. Andernfalls drohe ein starker Arbeitsplatzabbau, hieß es in dem vom "Handelsblatt" veröffentlichten Aufruf. "Ein gesetzlicher Mindestlohn vernichtet Arbeitsplätze", schrieben die Experten. Ohne Not würde damit der Weg in eine staatliche Lohnfestsetzung bereitet und das erfolgreiche System der marktwirtschaftlichen Ordnung in seinen Grundfesten erschüttert.
Darüber hinaus sei ein Mindestlohn gar nicht erforderlich, um eine Grundsicherung bereitzustellen, heißt es weiter: "Mit dem Arbeitslosengeld II besteht bereits ein Instrument, das diese sozialpolitische Funktion erfüllt." Ein Mindestlohn sei "kein geeignetes Umverteilungsinstrument, weil ein erheblicher Teil der Bezieher gar nicht bedürftig im Sinne der Bedarfsgemeinschaften ist".
Auch sei die deutsche Wirtschaft in den vergangenen Jahren international wieder wettbewerbsfähig geworden, weil Unternehmen das Recht hätten, individuelle Lohnabschlüsse zu verhandeln. Mit dem Mindestlohn würde genau dieses Recht beschnitten, schrieben die Ökonomen.
Unterzeichnet wurde der Aufruf von den Ulrich Blum (Institut für Wirtschaftsforschung Halle), Michael Hüther, (Institut der deutschen Wirtschaft, Köln), Christoph Schmidt (Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, Essen), Hans-Werner Sinn (Ifo-Institut, München), Dennis Snower (Institut für Weltwirtschaft, Kiel), Thomas Straubhaar (Hamburgisches Weltwirtschafsinstitut) und Klaus Zimmermann (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin).
Gericht erklärte Post-Mindestlohn für unzulässig
Somit sind die Ökonomen einer Meinung mit dem Berliner Verwaltungsgericht: Die Richter hatten die Ausdehnung des Post-Mindestlohns auf die gesamte Briefzusteller-Branche für unzulässig erklärt. Damit hatten sie Klagen von mehreren Konkurrenten der Deutschen Post stattgegeben. Das Bundesarbeitsministerium legte gegen das Urteil Berufung ein.
Derweil verschärft sich im Streit um den Mindestlohn der Ton in der Großen Koalition: SPD-Fraktionschef Peter Struck drängt Kanzlerin Merkel zu einem Machtwort. "Ich verlange von Frau Merkel, dass sie durchsetzt, dass der Widerstand von Wirtschaftsminister Glos gegen Mindestlöhne aufgegeben wird", sagte Struck der "Neuen Presse" in Hannover. Es bleibe bei der politischen Verabredung für Mindestlöhne. "Bisher haben wir über etwa zehn Branchen geredet, die ins Entsendegesetz aufgenommen werden könnten. Die nächste Branche ist die Zeit- und Leiharbeit, die sich gemeldet hat", sagte Struck.