Ausbildung Vom Knast zur Nobel-Absteige

Noch beherbergt das Gefängnis "Am Neudeck" in München weibliche Straftäter. Geht es nach dem Willen von Projektleiterin Hildegard Denninger, soll sich dort demnächst die Schickeria tummeln: Sie will aus dem Knast eine Luxusherberge machen - und dort bisher chancenlose Jugendliche ausbilden.

Auf den ersten Blick ist die Idee schon ein wenig abwegig - aber bei näherem Hinsehen begeistert sie auch. Ein Knast in München soll zum 4-Sterne-Hotel werden, in dem chancenlose junge Menschen doch noch eine Ausbildung erhalten und gut betuchte Gäste umsorgen. Für das hierzulande wohl einzigartige Projekt will der Verein BiSS - Herausgeber der ältesten deutschen Straßenzeitung mit obdachlosen Verkäufern - das Münchner Frauengefängnis Neudeck kaufen. 13 Millionen Euro sollen in das Kittchen gesteckt werden, in dem heuer noch Gefangene einsitzen. Läuft alles wie geplant, wird sich das Zuchthaus bis 2011 in eine Luxusherberge verwandelt haben.

Gefängnis soll bis April geräumt sein

Die Nobel-Absteige wäre eine Welt der krassen Gegensätze. "Junge Menschen aus schwierigen sozialen Verhältnissen sollen dort eine 1-A- Ausbildung erhalten", sagt die Frontfrau des Projektes, BiSS-Chefin Hildegard Denninger. Geholfen werden solle Azubis, die bisher meist nur Perspektivlosigkeit, Gewalt, Kriminalität und Drogen kannten. Für Denninger ist es durchaus denkbar, dass ausgerechnet diese jungen Menschen die komfortverwöhnten Privilegierten begeistert bedienen. Die 60-Jährige ist überzeugt, dass sich der Dienstleistungsanspruch und die ehrgeizige Qualifizierungsaufgabe nicht ausschließen. "Keiner unserer Gäste wird ein Auge zudrücken müssen", verspricht Denninger.

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... über den Businessplan, den Fortgang des Projekts und die Möglichkeit zu spenden finden Sie auf der Homepage von Hotel-BiSS.

Ihr Plan hat drei Stufen: Kauf, Umbau, Betriebsbeginn. Die erste Hürde ist bereits genommen, denn die Bayerische Landesstiftung hat dem Projekt 2,5 Millionen Euro für den Kauf des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes zugesagt. Dort gibt es laut Justizministerium derzeit noch gut 120 Haftplätze - die meisten für Frauen, doch auch jugendliche Straftäter sitzen ein. Bald sollen alle nach Stadelheim verlegt werden. "Der Umzug wird voraussichtlich im April 2009 erfolgen", berichtet Ministeriumssprecher Stefan Lenzenhuber.

Start zum Oktoberfest 2011

Für den Frühling ist das Bieterverfahren geplant. Bekommt BiSS den Zuschlag, folgt die Finanzierung für den Umbau. Zehn Millionen Euro sollen die Banken vorschießen, drei Millionen will Denninger über Spenden einwerben. "Zum Oktoberfest 2011 soll der Betrieb starten", sagt Denninger. Geplant sei, 14 Hotel-Profis anzustellen, die pro Jahr 10 bis 15 Azubis ausbilden. Schnell soll das Projekt Gewinn abwerfen und Geld an die Banken zurückfließen. BiSS habe für die "Schlüsselpositionen" bereits Kandidaten im Auge. Dazu zählten drei Angestellte mit Doppelausbildung - zum Koch und Sozialpädagogen etwa. Zudem sollen Mitarbeiter aus 5-Sterne-Hotels abgeworben werden. Namen nennt Denninger nicht und versichert nur: "Wir sind da im Gespräch."

Auf prominente Unterstützung zählt Denninger - Finanzbuchhalterin und für ihr BiSS-Engagement Trägerin des Bundesverdienstkreuzes - schon heute. In der aktuellen BiSS-Ausgabe werben unter anderem Uschi Glas, Senta Berger, FC-Bayern-Manager Uli Hoeneß, Regisseur Sönke Wortmann und die Rockband Sportfreunde Stiller für "Hotel-BiSS" - so soll es einmal heißen. "Dass jemand ein sozialwirtschaftliches Unternehmen aufziehen möchte, das sich selbst trägt und dennoch unter menschlichen Aspekten arbeitet - wo gibt es das schon? Jeder Vorstand will ja gleich Millionen verdienen. Anders bei Hotel-BiSS", sagten die "Sportfreunde" dem Magazin in einem Interview. Und klar - die hotelerfahrenen Musiker würden natürlich sofort einchecken.

Es gibt auch Skeptiker

Auch die BiSS-Verkäufer drückten dem neuen Vorhaben unter dem Dach ihres Arbeitgebers die Daumen, sagt Ercan Uzun, der die Zeitschrift am Sendlinger Torplatz verkauft. Doch einige seien auch nachdenklich. "Es ist ja eine Doppelbelastung für die Chefin. Wenn das neue Projekt steht, wankt vielleicht das alte", sagt Uzun über die Bedenken einiger Kollegen. Doch bis es überhaupt so weit kommen könnte, muss Denninger erst einmal den Zuschlag für das Gefängnis erhalten. "Die 2,5 Millionen der Landesstiftung sind unser Limit", sagt sie.

Die Sportfreunde Stiller sind überzeugt, dass die Frau mit BiSS den Knast zur Luxusherberge und das Projekt zum Erfolg machen wird. Eine Hotel-Hymne gebe es im Repertoire der Band auch schon. In einem ihrer Songs heißt es: "Es sollte für jeden die Maxime sein; lasst die Liebe rein; in euer Life-Design; es sollte leicht von der Hand gehen; damit alle, die am Rand stehen; wieder neues Land sehen".

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Heiko Lossie/DPA

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