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F. Behrendt: Der Guru der Gelassenheit "Ich hab's!" Was wir alle von Wickie lernen können

"Wickie und die starken Männer" waren ab 1974 auch im deutschen Fernsehen zu sehen. Der Kinderbuch-Klassiker stammt aus dem Jahr 1963.
"Wickie und die starken Männer" waren ab 1974 auch im deutschen Fernsehen zu sehen. Der Kinderbuch-Klassiker stammt aus dem Jahr 1963.
© Imago Images
Als Kind habe ich ihn geliebt, verehrt, bewundert, mit ihm gelacht und vor den Wölfen gezittert: Wickie, den kleinen Wikinger. Erfunden hat ihn der Schwede Runer Jonsson vor genau 60 Jahren. Wickies Problemlöser-Spirit altert allerdings nie.
Von Frank Behrendt

Wenn ich die berühmte Titelmelodie der legendären Fernsehserie aus der Feder des Erfolgs-Komponisten Christian Bruhn heute wieder einmal höre, dann läuft mir immer noch ein wohliger Schauer über den Rücken:

"Hey hey Wickie hey Wickie hey

Zieh fest das Segel an

Hey hey Wickie die Wikinger

Sind hart am Winde dran"

Im Songtext geht es dann weiter mit Ängsten vor dem Wolf und Taifunen, aber der beruhigenden Botschaft, dass Wickie die Lösung allen Übels natürlich "gar nicht schwer" fällt. So ist das bei Helden, sie sind eben furchtlos und unerschrocken.

Es gab daher keine Folge, die meine Geschwister und ich damals verpassten. Wir konnten es kaum erwarten, bis wieder eine neue Episode rund um die Abenteuer der Wikinger aus dem kleinen Dörfchen Flake ausgestrahlt wurde. Mein absoluter Lieblingsmoment in allen Folgen war immer: Wenn der schmächtige kleine Wikinger sich die Nase rieb und irgendwann rief: "Ich hab's!" Dann hatte er die Lösung für eine Challenge, an der die starken Erwachsenen zuvor verzweifelt waren. 

Frank Behrendt: Der Guru der Gelassenheit

Frank Behrendt (58) gehört zu den bekanntesten Kommunikationsberatern Deutschlands. Der Absolvent der Deutschen Journalistenschule war Top-Manager in der Musikindustrie, beim Fernsehen und in großen Agenturen. Sein Buch "Liebe dein Leben und NICHT deinen Job" avancierte direkt nach Veröffentlichung zum Wirtschafts-Bestseller. Die Deutsche Public Relations Gesellschaft zeichnete den Mann, der immer gute Laune hat, als "PR-Kopf des Jahres" aus. Weitere Infos: www.frankzdeluxe.de Direkter Dialog: frankzdeluxe@gmail.com

Wickie demonstriert Brain-Power statt Muskelkraft

In meiner eigenen Familie ist Wickies "Ich-Hab's-Moment" im Laufe der Jahre ein geflügelter Begriff geworden. Immer wenn die Kinder eine Idee haben, wie sie denn nun eine knifflige Situation zu lösen gedenken, sprechen wir davon. Wenn mein Sohn aus seinem Zimmer kommt, in dem er länger nachgedacht hat und dann mit feierlicher Miene den Satz: "Ich hab`s" spricht, dann wissen wir, dass alles gut wird.

Schon als kleiner Junge faszinierte mich, dass Wickie immer um die Ecke dachte, lösungsorientiert an "Probleme" heranging. Die mehr oder minder "starken Männer" gingen irgendwann nicht mehr ohne den besonderen Brain-Boy an Bord. Am Ende war schließlich er es, der auf jeder Reise mit seiner Cleverness dafür sorgte, dass sie überhaupt wieder nach Hause kamen und dem schrecklichen Sven entkamen.

Beeindruckend fand ich auch, dass der kluge kleine Kerl sich für die Bewältigung von Aufgabenstellungen immer wieder Anregungen in der Geschichte holte. Zum Beispiel kopierte er die Idee des berühmten Trojanischen Pferdes. Er hat aber auch was von einem jungen Physiker. Mein jüngerer Bruder nannte ihn mal den "sprechenden Kosmos-Experimentierkasten". Wickie dokumentierte durch seine Ideen, dass man auch ein Held sein kann, wenn man statt Muskelkraft, Mut und Aggression lieber seinen Verstand einsetzt und logisch denkt. So wurde er zu einem unserer Helden. 

Vorbild für viele Kinder

Auch die Fernsehforschung hat sich mit dem fiktionalen Charakter und was er mit den jungen Zuschauer:innen macht, beschäftigt. Das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) aus München fragte in einer qualitativen Studie unter dem Titel "Klassiker des Kinderfernsehens aus Kindersicht" bei insgesamt 429 Kindern nach, was für sie den Wesenskern von klassischen Fernsehfiguren ausmacht. Mit großem Interesse habe ich die Kommentare der kleinen Befragten zu Wickie gelesen, denn ich fand mich in ihnen rückblickend selbst wieder.

Die Kinder bewundern Wickie für seine ganz besondere Kompetenz, Schlauheit und erfinderische Kreativität, "dass er sich Sachen ausdenkt und es dann so tolle Sachen sind und dass ihm überhaupt Sachen einfallen" (Coline, 8 Jahre). Manche von ihnen würden deshalb auch gerne wie er sein, denn "dann kann ich wie Wickie denken" (Alexander, 9 Jahre).

Mit seinen cleveren Einfällen findet Wickie auch aus der gefährlichsten und hoffnungslosesten Situation einen Ausweg und hilft damit anderen aus der Patsche. Viele Kinder beziehen sich auf seine Hilfsbereitschaft und finden toll, dass er immer für andere da ist: "Wickie hat jedem geholfen, wenn jemand Hilfe brauchte" (Lucie, 10 Jahre). Zusätzlich zu diesem Prinzip – mit schlauen Ideen helfen und Gutes tun – feiern die Kinder auch noch ein weiteres erstrebenswertes Handlungsmuster von Wickie: "Dass er nachdenkt und nicht wie sein Papa gleich Gewalt einsetzt" (Jan, 9 Jahre). Aus Sicht der Kinder ist Wickie deshalb ein "Vorbild" (Yakup, 10 Jahre). 

Runer Jonsson schuf mit seinem Werk "Wickie", für das er 1965 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde, Charaktere und Geschichten, die auch nach 60 Jahren nichts an Unterhaltsamkeit und Individualität eingebüßt haben Das dokumentierte nicht zuletzt die erfolgreiche und spektakuläre Real-Verfilmung von Regisseur Bully Herbig vor ein paar Jahren, die über fünf Millionen Besucherinnen und Besucher in die Kinos lockte und mit einem weiteren Film fortgesetzt wurde.

Wickie-Way auch heute gefragt

Mit dem numerischen Ende meiner Kindheit und Jugend verschwanden das Bonanzarad und auch Wickie aus meinem Leben. Aber ich habe ihn bis heute nie vergessen. Im Laufe meines Berufslebens habe ich immer wieder an Wickie gedacht, gerade wenn es darum ging, unkonventionelle Lösungen zu finden. Zum Beispiel für die junge Mutter, die trotz Kind ihre Position als Führungskraft behalten wollte. Kurzerhand besorgten und bezahlten wir ihr eine Haushaltshilfe. Damals sprach noch keiner von New Work, Homeoffice, Gender oder der Vereinbarkeit von Job und Familie. In einer amerikanischen Company hätte man das angedachte Modell mit der Kinderbetreuung für eine weibliche Managerin damals auch keinem Controller in New York Avenue überzeugend erklären können. Ich habe dann einen Wickie-Way gefunden...

Wenn es darum ging, unseren Mitarbeitenden in einem für die Gruppe schwierigen Geschäftsjahr damals dennoch eine Anerkennung zukommen zu lassen, rieben wir uns im Management die Nasen und hatten schließlich eine Idee: Wir ließen 5-D-Mark-Scheine von unserem Produktioner laminieren, die dann auf der Weihnachtsfeier verteilt wurden. Es war nicht viel Geld, aber der Effekt, dass jede und jeder mit einem Bündel Bares wedeln konnte, bleibt bis heute unvergessen und wird auf den Ehemaligentreffen der Agentur gefeiert.

Ich kann nur allen raten, sich mal wieder an den guten alten Wickie zu erinnern. Gerade in diesen Zeiten voller Herausforderungen auf allen Feldern sind außergewöhnliche Ideen abseits der bekannten Pfade mehr denn je gefragt. Und ein kleiner Wikinger hat uns ja mal gelehrt, dass es immer einen Weg neben dem üblichen gibt. Also: Denkt um die Ecke und irgendwann werdet ihr ausrufen: "Ich hab's!" 

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