Wegen ihres neuen Jobs musste sich Veronika Anding einiges anhören. "Wie kann man für das Geld aufstehen?", fragten sie Bekannte. Wenn es der Schichtplan vorsieht, sitzt die 34-Jährige pünktlich um 6.30 Uhr auf ihrem Posten in der historischen Anna Amalia Bibliothek in Weimar. Sie sorgt dafür, dass in dem nach dem Brand vor einem Monat leer geräumten historischen Gebäude alles mit rechten Dingen zugeht.
"Ich wollte endlich wieder etwas tun"
Freundlich, aber bestimmt wehrt sie zu neugierige Touristen ab, die einen Blick in den ramponierten Büchertempel werfen wollen. Sie gibt Handwerkern und Spendenwilligen Auskunft und sammelt an den Rändern verkohlte Buchseiten, die ihr Passanten bringen. "Ich wollte endlich wieder etwas tun. Ich bin gern hier", sagt Anding. Für sechs Monate ist sie Ein-Euro-Jobberin bei der Stiftung Weimarer Klassik.
Mit Tausenden anderen in Deutschland gehört Anding zu den Vorboten der Hartz IV-Reform. Seit diesem Monat vergeben Arbeitsagenturen zusammen mit Kommunen, Sozialverbänden und anderen Organisationen so genannte Arbeitsgelegenheiten an Langzeitarbeitslose. Die Jobs sollen gemeinnützig sein, laufen in der Regel nur ein halbes Jahr bei einer Wochenarbeitszeit von maximal 30 Stunden.
Zusätzlich zu ihren bisherigen Bezügen von der Arbeitsverwaltung erhalten die "Hartzer" eine Aufwandsentschädigung von ein bis zwei Euro pro Stunde. Noch ist es ein Testlauf für Freiwillige. Mit In-Kraft- Treten von Hartz IV Anfang 2005 müssen Arbeitslose zumutbare Arbeit annehmen. Ende September waren es laut Nürnberger Statistik bundesweit fast 4,26 Millionen, darunter etwa 1,72 Millionen Langzeitarbeitslose.
100.000 weitere Ein-Euro-Jobber aktivieren
Wie viele Ein-Euro-Jobber seit Anfang Oktober unterwegs sind, weiß in Halle, Görlitz oder Düsseldorf niemand ganz genau. Klarer ist die Perspektive: "Wir wollen bis Jahresende zusätzlich 100.000 Arbeitslosenhilfeempfänger aktivieren", sagt Ulrich Waschki, Sprecher bei der Bundesarbeitsagentur. Die Finanzierung gehe über vorhandene Fördertöpfe. Vielfältig sind die Ideen: Langzeitarbeitslose sammeln für die "Schweriner Tafel" Lebensmittel, beraten Schuldner in Neubrandenburg, sorgen für längere Bibliotheksöffnungszeiten in Münster, begleiten Senioren im Auftrag der Caritas Aachen bei Spaziergängen oder helfen bei archäologischen Grabungen zur Stadtgeschichte von Altenburg (Thüringen).
Warnung vor der "Arbeitsplatzvernichtungsmaschine"
"Wir haben zu lang zugelassen, dass immer mehr Menschen nicht teilhaben an Arbeit und Beruf, auch wenn es sich nur um ehrenamtliche oder gemeinnützige Tätigkeiten handelt", sagt die Chefin der Landesarbeitsagentur Baden-Württemberg, Eva Strobel. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände halten dagegen, die Billigarbeiter gefährden reguläre Stellen. Ein-Euro-Jobber, die Hausmeisterdienste verrichten, als Gärtner arbeiten, Pflegebedürftige mit Essen versorgen oder als pädagogischer Mitarbeiter bei einem Bildungswerk engagiert werden, sorgen bereits für Dispute. Thüringens Verdi-Chef Thomas Voß warnt: "Auf diese Weise wird die Arbeitsmarktreform zur Arbeitsplatzvernichtungsmaschine."
In Ostdeutschland mit 18 Prozent Arbeitslosigkeit keimt zudem die Sorge, dass besser bezahlte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) zunehmend ersetzt werden. "Der überwiegende Teil unserer Ein-Euro-Jobs ist früher mit gleichen oder ähnlichen Inhalten unter ABM gelaufen, die regulär endeten und nicht neu aufgelegt wurden", berichtet Stefan Zimmermann, Hauptamtsleiter im Rathaus von Apolda. "Unterm Strich bleiben für mich gravierende Einschnitte, aber eh ich gar nichts bekomme, mache ich es lieber", sagt ein Betroffener.