Die Karrierechancen von Frauen sinken rapide, wenn sie Kinder haben. Mütter schränken zudem ihre Erwerbstätigkeit nach wie vor bis zum Alter von 40 Jahren deutlich ein. Um diesen Trend zu brechen, hat Bundesfamilienministerin Renate Schmidt vor 15 Monaten zusammen mit Städten und Kommunen, Arbeitgebern und Gewerkschaften so genannte Bündnisse für Familie ins Leben gerufen. Eine erste Zwischenbilanz zeigt: Der Versuch, auf lokaler und regionaler Ebene Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu organisieren, lohnt sich.
Inzwischen gibt es nach einer Übersicht des Berliner Familienministeriums 130 solcher Bündnisse. An weiteren 140 Standorten sind welche in Vorbereitung. 25 Millionen Menschen können bei Bedarf in der Gegend ihres Wohnorts auf diese Bündnis-Angebote zurückgreifen. Über 1000 Unternehmen arbeiten inzwischen direkt oder über ihre Verbände in diesen lokale Initiativen mit - von der Insel Rügen bis Weil am Rhein, von Nordfriesland bis Regensburg, von Köln bis Leipzig.
Unterstützung durch lokale Initiativen
Je nach örtlicher Gegebenheit haben sich die "Bündnispartner" etwas einfallen lassen, um Beruf und Familie besser unter einen Hut zu bekommen. Wenn beispielsweise in Jena eine Mitarbeiterin von Jenoptik zu außergewöhnlichen Zeiten kurzfristig Hilfe bei der Kinderbetreuung braucht, kann sei beim Familienservice anrufen und wird dort bevorzugt unterstützt. Die Jenoptik AG fördert das. In Trier ist auf Initiative der Gewerkschaften ein lokales Bündnis entstanden, das eine betriebsübergreifende Tagesstätte aufbaut.
In der Kleinstadt Selm in Nordrhein-Westfalen plant eine Familien-Initiative eine "punktuelle" Kinderbetreuung. Wer Einkaufen will oder zum Arzt muss, kann seinen Nachwuchs zur Überbrückung hier versorgen lassen. Der Einzelhandel der Stadt wirbt mit diesem Angebot. In Augsburg sind ehrenamtliche Familienpatentschaften im Aufbau. Und in Halle will der Bauverein für Kleinwohnungen zusammen mit einer Kindertagesstätte eine wohnortnahe Kinderbetreuung organisieren.
Deutschland zum "familienfreundlichsten Land" in Europa machen
Die Übersicht des Ministeriums zeigt, dass Familie Konjunktur hat. Renate Schmidt ist überzeugt: "Mit der Initiative 'Lokale Bündnisse für Familie' haben wir den Nerv getroffen." Sie will Deutschland zum "familienfreundlichsten Land in Europa" machen.
Da haben sie und ihre Partner allerdings noch viel zu tun. Nach dem neuen Mikrozensus - mit über 800.000 Interviews die größte Befragung der Haushalte deutschlandweit - leben über die Hälfte (53 Prozent) der gut 83 Millionen Menschen in Deutschland mit mindestens einem Kind zusammen. Dieser Anteil ist seit 1996 um vier Prozentpunkte zurückgegangen.
Partnerschaften ohne Kind sind weiter im Vormarsch. Oft gelten fehlende Angebote zur Vereinbarung von Familie und Beruf als Hindernis. Ein Lichtblick: Die Quote der Erwerbstätigkeit von Müttern ist in den vergangenen neun Jahren um sechs auf 61 Prozent gestiegen. Fast ausschließlich infolge von mehr Teilzeitarbeit, wie die Statistiker herausfanden.
Frank Rafalski/DPA