Im öffentlichen Dienst droht in diesem Jahr eine äußerst harte Tarifauseinandersetzung. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat für Donnerstag bundesweite Warnstreiks angekündigt. "Wir haben fünf Tage verhandelt, und von der Arbeitgeberseite nicht mehr als ein Lohnkostensenkungsprogramm bekommen", begründete Harald Reutter, Leiter der Bundespressestelle von Verdi in Berlin, im Gespräch mit stern.de die harte Haltung der Gewerkschaft. "Wir haben die Ergebnisse klar bewertet und beschlossen, dass der Druck erhöht werden muss."
Gute Konjunktur+ bessere Finanzlage = mehr Geld
Die Gewerkschaft will Gehaltssteigerungen von acht Prozent durchsetzen - die unteren Tarifgruppen sollen ein Plus von mindestens 200 Euro erhalten. Die Arbeitgeber bieten bislang bis zu fünf Prozent mehr Lohn bei einer deutlich längeren Laufzeit des Vertrages, gleichzeitig soll auch die Arbeitszeit erhöht werden. Die vergangene dritte Verhandlungsrunde brachte keine Annäherung. Auch deshalb hat Verdi zu Warnstreiks aufgerufen. Arbeitsniederlegungen sind unter anderem in Krankenhäusern in Hessen, Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Bremen und dem Saarland geplant.
Begründet wird die hohe Forderung der Gewerkschaft mit der guten Konjunktur und auch mit der besseren Finanzlage der Kommunen, die im vergangenen als auch im laufenden Jahr wieder einen Milliardenüberschuss erzielt haben. Dem widersprechen die Arbeitgeber: "Würden wir die Forderungen von Verdi erfüllen, würde uns das sieben Milliarden Euro kosten", sagt Thomas Böhle, Präsident der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) im stern-de-Interview. "Das wäre der gesamte Überschuss des vergangenen Jahres".
Der Stand nach der dritten Runde
Die Forderungen der Gewerkschaften: Verdi, die Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft, die Gewerkschaft der Polizei und der Deutsche Beamten Bund fordern eine lineare Erhöhung der Entgelte um acht Prozent, mindestens jedoch um 200 Euro, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten für die Tarifbeschäftigten bei Bund und Kommunen. Ausbildungsvergütungen sollen um 120 Euro angehoben werden.
Das Angebot der Arbeitgeber
: Es sieht eine mehrstufige Lohnerhöhung von fünf Prozent über zwei Jahre vor. Zudem sollen die Beschäftigten 40 Stunden arbeiten und ein Teil der Entgelterhöhung für Leistungszulagen verwendet werden. Die Arbeitgeber verwiesen auf die Arbeitsplatzsicherheit im öffentlichen Dienst. Genauer aufgeschlüsselt sieht das Abgebot laut Angaben von ver.di so aus: 2,5 % zum 1. Februar 2008 1,0 % zum 1. Oktober 2008 0,5 % zum 1. März 2009 Jeweils 0,5 % sollen davon auf ein höheres Volumen für das Leistungsentgelt entfallen.
Die Wochenarbeitszeit soll ab 1. Juli 2008 auf 39,5 Stunden und ab 1. Januar 2009 auf 40 Stunden steigen.
Eskalation von langer Hand vorbereitet
Der VKA-Präsident geht mit der Gewerkschaft auch hart ins Gericht und wirft Verdi vor, die Eskalation des Tarifstreits schon von langer Hand geplant zu haben: "Ich habe den Eindruck, dass das Drehbuch schon von vornherein feststand", sagt er. Schon im September vergangenen Jahres sei von Streiks gesprochen worden, obwohl noch gar keine Forderungen auf dem Tisch gelegen hätten. Arbeitgeber und Gewerkschaften hatten am Dienstag ihre Tarifverhandlungen ergebnislos auf den 25. Februar vertagt. Sollte es am Ende der Verhandlungsrunden kein Ergebnis geben, könnte es entweder zu unbefristeten Streiks nach einer Urabstimmung kommen, oder ein Schlichtungsverfahren würde in Gang gesetzt. Solange die Schlichtung läuft, herrscht Friedenspflicht. "Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg", beschwichtigt Verdi-Sprecher Reutter.
Die Zeit ist reif zum Nachholen
Verhandelt wird derzeit auf der Basis des Abschlusses von Bund und Kommunen aus dem Jahr 2005. Hier wurde das alte Tarifwerk (BAT) mit neuen Entgelttabellen zum jetzt gültigen Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TvÖD) überarbeitet. Lineare Anhebungen beim Entgelt gab es nicht, ausgehandelt wurden damals Einmalzahlungen sowie Regeln zu einer leitungsabhängigen Entgeltbestandteilen.
"Die Schere zwischen Entlohnung im öffentlichen Dienst und Privatwirtschaft ist seither weit aufgegangen", sagt Reutter. "Wir haben in schlechten Zeiten zurückgesteckt, jetzt sprudeln aber die Steuereinnahmen, und die Zeit ist reif zum Nachholen." Einig sei man mit den Arbeitgebern, dass die Rekrutierung des Nachwuchses durch die Einkommensschere zum Problem werde, so Reutter.
Böhle lässt die Argumente von Verdi aber nur zum Teil gelten. "Es ist selbstverständlich, dass die Beschäftigten an der guten Konjunktur teilhaben wollen", sagt er, fügt jedoch einschränkend an: "Es gibt ein paar ganz gravierende Punkte, die so in anderen Branchen nicht vorhanden sind." Die Kommunen säßen auf einer erheblichen Schuldenlast, die abgebaut werden müsse. "Verdi überfordert die öffentlichen Haushalte mit ihrer Forderung in unverantwortlicher Weise."
Der Arbeitgebervertreter sieht jedoch auch Chancen für einen Kompromiss: "Die Gewerkschaft muss ihre Forderung überdenken", fordert Böhle. "Im Gegenzug werden wir prüfen, wo wir für neue Gespräche Anknüpfungspunkte sehen, um unser Angebot zu modifizieren."