Blankes Entsetzen bei der Hochtief-Belegschaft: "Ich fühle mich wie im luftleeren Raum. Wir haben alle Angst um unsere Arbeitsplätze", bekennt eine 42-jährige Teilzeit-Angestellte vor der Essener Hochtief-Zentrale. Ihren Namen will sie nicht nennen - ebenso wie ihre anderen Kollegen an diesem kalten Novembertag.
Am Dienstag hatte die deutsche Börsenaufsicht BaFin grünes Licht für das Übernahmeangebot des spanischen Hochtief-Konkurrenten ACS gegeben. Mit einem Schlag hatte die Bonner Behörde damit die Chancen von Hochtief im Abwehrkampf gegen die ungeliebte Offerte dramatisch reduziert - sie gehen nun gegen Null.
Betriebsrat gibt Kampf noch nicht auf
Mehr als zehn Wochen lang hatte die Hochtief-Belegschaft nach der Ankündigung der Übernahme-Offerte durch ACS Mitte September gehofft und gekämpft. Nun zieht Hochtief-Betriebsratschef Siegfried Müller eine trostlose Bilanz: "Wir sind insgesamt bedroht", sagt der kämpferische Betriebsrat. Vergeblich hatte er versucht, einen schlagkräftigen Widerstand gegen die Offerte aus Madrid zu organisieren.
Auf die Versprechungen von ACS-Chef Florentino Pérez zur Sicherung von Hochtief gibt Müller wenig: "Der hat noch immer das Gegenteil dessen gemacht, was er vorher versprochen hat", sagte er. Müller sieht vor allem die Stellen der rund 11.000 deutschen Hochtief-Beschäftigten bedroht. Mit dem Hochtief-Vorstand will der Betriebsrat nun über weitere Schritte im Abwehrkampf beraten.
"Nicht Aufgabe des Staates"
Auf Hilfe von der Bundesregierung wartet Hochtief nach eigenem Bekunden bisher vergeblich. Ein Vorwurf, den Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) umgehend zurückwies. "In der sozialen Marktwirtschaft ist es grundsätzlich nicht die Rolle des Staates, die Eigentümerstruktur einzelner Unternehmen zu beeinflussen", sagte Brüderle der "Rheinischen Post". Firmenübernahmen seien normale wirtschaftliche Vorgänge. "Als offene und international extrem vernetzte Volkswirtschaft wollen wir möglichst keine Schutzzäune - weder bei anderen noch bei uns", sagte der FDP-Politiker.
Auch FDP-Finanzexperte Volker Wissing kritisierte die Forderungen der Konzernleitung. Es sei allgemein nicht Aufgabe des Staates, Übernahmen zu verhindern, sagte der Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag im ZDF. Noch dazu könne nicht erwartet werden, dass die Regierung Fehler von Unternehmen ausbügele. Das deutsche Übernahmegesetz sei darüber hinaus nicht schlechter als in anderen Ländern, eine Änderung daher absolut nicht notwendig. "Wir wollen keine einzelnen Gesetze für einzelne Unternehmen machen", sagte Wissing weiter. Vielmehr müsse nach den Regeln der Marktwirtschaft ein "Fair play" für alle gelten.
Aktienkurs spiegelt Hochtief-Wert nicht wider
Zugleich warf der FDP-Politiker Hochtief Versagen vor. Der schwache Aktienkurs des im MDAX notierten Konzerns spiegele nicht dessen Wert wider. Das sei ein großes Problem, da der beste Schutz gegen feindliche Übernahmen immer noch in einem hohen Aktienkurs bestehe. Vor diesem Hintergrund habe er Verständnis für die Lage der Hochtief-Beschäftigten, die unter der Schwäche der Geschäftsführung zu leiden hätten.
Erst nach schwierigen Verhandlungen hatte die deutsche Börsenaufsicht am späten Dienstagabend das ACS-Angebot durchgewunken. ACS-Chef Pérez, der auch den Fußballklub Real Madrid führt, darf sich nun Hoffnung machen, den deutschen Branchenführer unter spanische Kontrolle zu bringen und an die Weltspitze zu führen - auch wenn ACS eine Schuldenlast von neun Milliarden Euro drückt.
Mit der Übernahme des kapitalstarken deutschen Konkurrenten könnten die Spanier die ACS-Gruppe finanzkräftiger machen und die Grundlagen für eine weitere Expansion schaffen. Als nächstes Ziel hat Pérez bereits eine weiteres Unternehmen ins Visier genommen. Beim hochprofitablen spanischen Elektrokonzern Iberdrola will ACS seinen Anteil von 12,5 Prozent auf 20 Prozent ausbauen. Iberdrola wehrt sich - ähnlich wie Hochtief - heftig dagegen, unter die Fittiche des Bau-Riesen genommen zu werden.