40.000 Arbeitsplätze bedroht Wie Amazon Fresh deutsche Supermärkte plattmachen wird

Noch verkauft Onlineriese Amazon in Deutschland kaum Lebensmittel, doch das dürfte sich bald ändern. Eine Studie zeigt die radikalen Folgen für die Supermärkte und deren Angestellte. Die Platzhirsche versuchen sich zu wehren.

Seit Wochen liefern sich Rewe, Edeka und Co. ein hässliches Gezerre um die Supermarktkette Kaiser's Tengelmann. Doch egal, wer sich letztendlich wie viele Kaiser's-Filialen unter den Nagel reißen kann: Schon bald dürften alle Beteiligten wesentlich größere Probleme haben. Denn abseits des Tengelmann-Geschachers formiert sich mit Amazon eine mächtige Bedrohung für alle etablierten Lebensmittelhändler in Deutschland.

In den USA sorgt der Lebensmittel-Lieferservice Amazon Fresh bereits für mächtig Furore. Dort plant der Internet-Konzern nun sogar, ein Netz von Offline-Läden aufzubauen, in denen Fresh-Kunden ihre bestellten Einkäufe abholen können. Im Juni startete Amazon Fresh in Großbritannien, die Expansion nach Deutschland soll nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Revolution im Lebensmittelhandel

Die Konsequenzen für die deutsche Supermarktlandschaft hat die Beratungsfirma Oliver Wyman in einer aktuellen Studie berechnet. Die Branche stehe vor einer Revolution, sagte Wyman-Experte Michael Lierow dem Handelsblatt, dem die Studie exklusiv vorliegt. Mittelfristig dürfte sich demnach ein Umsatz von sechs bis acht Milliarden Euro pro Jahr in den Onlinehandel verschieben. Gewaltige Summen, die den Ladengeschäften verloren gehen. Rund 15 Prozent der Supermärkte könnten durch die Kräfteverschiebung Verluste machen, prognostizieren die Experten.

Denn die Margen im Lebensmitteleinzelhandel sind gering. Selbst, wenn viele Kunden künftig nur einen kleinen Teil ihrer Lebensmittel bei Amazon einkaufen, könnten viele Läden in die Verlustzone rutschen. 1200 bis 1700 Supermärkte mit Vollsortiment könnten laut Analyse betroffen sein. Es droht ein Filialsterben, 40.000 Arbeitsplätze sind in Gefahr.

 Lidl investiert viele Millionen 

Supermärkte und Discounter wissen um die Bedrohung und bauen ihre Onlineaktivitäten aus. Die Schwarz-Gruppe, zu der Kaufland und Lidl gehören, steckt nun einen dreistelligen Millionenbetrag ins Digitalgeschäft, berichtet das Manager-Magazin. In Berlin sollen Lidl-Kunden sich ab Dezember ihren Warenkorb online zusammenstellen können - und ihn anschließend in der Filiale abholen.

Bislang liegt in Deutschland der Anteil online verkaufter Lebensmittel am Gesamtumsatz der Branche gerade mal bei einem Prozent. Dem stationären Handel fehlen die effizienten Strukturen für das Onlinegeschäft. Rewe-Chef Alain Caparros erklärte im Handelsblatt, dass der Konzern mit E-Commerce immer noch deutlich Verlust mache. Während Rewe eine teure Flotte an eigenen Kühlwagen unterhält, übergibt Amazon seine Kühlboxen einfach an gewöhnliche Spediteure. Die Lieferkosten sind für Amazon nur etwa halb so hoch.

Amazon testet in Berlin und München

In Berlin und München testet Amazon den Verkauf von Lebensmitteln bereits über den Service Prime Now, der die kostenlose Lieferung am selben Tag verspricht. Allein in München macht das Projekt laut der Wyman-Studie aufs Jahr hochgerechnet einen Umsatz von 40 bis 50 Millionen Euro. "Das Sortiment von Amazon Prime Now hat bei weitem noch nicht die Tiefe von vielen Supermärkten, aber viele wichtige Marken sind schon abgedeckt", sagt Experte Lierow dem Handelsblatt. Bei den Preisen sei Amazon bereits heute konkurrenzfähig.