Der Online-Versandhändler Amazon geht gerichtlich gegen seine Einstufung als bedeutende Internetplattform durch die EU-Kommission vor. Ein Konzernsprecher erklärte am Mittwoch, Amazon habe bereits eine Klage bei der EU-Justiz gegen die Entscheidung eingereicht. Amazon steht auf einer Liste von 19 Internetplattformen, die nach dem Willen der EU-Kommission im Rahmen des Gesetzes für Digitale Dienste (DSA) künftig einer verschärften Kontrolle unterliegen sollen.
Zur Begründung der Klage erklärte der Amazon-Sprecher, die Tätigkeit des Unternehmens passe nicht zum Ziel, das mit den Regeln des DSA verfolgt werde. Amazon argumentiert, dass der Konzern als Händler für Verbraucherartikel nicht die Art von Online-Plattform sei, für die die DSA-Regeln geschaffen wurden. Denn ihr Ziel sei, die Risiken durch Dienste zu minimieren, die Informationen und Meinungen verbreiteten und sich durch Werbung finanzierten.
Auch sei Amazon in keinem der einzelnen EU-Länder der größte Einzelhändler. Würde der Konzern als große Plattform einer verschärften Aufsicht unterworfen und die lokalen Einzelhandels-Konkurrenten nicht, wäre Amazon dadurch benachteiligt, hieß es. Zugleich betonte Amazon, dass man seit Jahren viel dafür unternehme, um Kunden vor illegalen Waren wie Produktfälschungen zu schützen.
Die EU-Kommission hatte die Liste der von den DSA-Regeln betroffenen Internetplattformen Ende April vorgestellt. Betroffen sein sollen demnach etwa Twitter, Tiktok sowie die wichtigsten Angebote der US-Konzerne Amazon, Apple, Google, Meta und Microsoft - sowie als einziges europäisches Unternehmen die deutsche Firma Zalando.
Amazon will keine teuren Auflagen erfüllen
Die Unternehmen müssen sich dem Willen der Kommission zufolge künftig unter anderem jährlich einer Prüfung unterziehen, um sicherzustellen, dass sie wirksam gegen die Verbreitung von Falschinformationen und Hassbotschaften vorgehen. Zudem sind sie verpflichtet, gegenüber Experten der Behörde ihre Algorithmen offenzulegen und Wissenschaftlern Zugang zu eigenen Daten ermöglichen.
EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton betonte seinerzeit, dass es beim DSA nicht nur um Hassrede, Falschinformationen oder Cyber-Mobbing gehe - sondern etwa auch um die Einhaltung von Altersbeschränkungen sowie den Kampf gegen illegale oder unsichere Artikel.
Der DSA soll unter anderem sicherstellen, dass Plattformen illegale Inhalte auf ihren Seiten schneller entfernen als bislang. Für sehr große Plattformen und Suchmaschinen mit mehr als 45 Millionen aktiven Nutzern im Monat gelten besonders strenge Vorgaben. Sie müssen etwa mit Blick auf schädliche Inhalte einmal jährlich eine Risikobewertung vorlegen und Gegenmaßnahmen vorschlagen. Außerdem müssen sie Daten mit Behörden und Forschern teilen.
Das DSA sei "entwickelt worden, um systemische Risiken anzugehen, die von sehr großen Unternehmen ausgehen, deren Haupteinnahmequelle Werbung ist und die Meinungen und Informationen verbreiten", erklärte der Amazon-Sprecher. Amazon unterstütze dieses Ziel, passe aber selbst nicht zu dieser Beschreibung, da das Unternehmen sein Geld hauptsächlich mit Versandhandel verdiene - und nicht mit Werbung. Eine Einstufung als "große Plattform" würde Amazon demnach "zu Unrecht an den Pranger stellen" und zwingen, "teure Auflagen zu erfüllen".
Ende Juni hatte sich bereits Zalando eigenen Angaben zufolge mit einer ähnlichen Begründung vor einem EU-Gericht gegen die Einstufung als "große Plattform" gewehrt. Das Unternehmen argumentierte, die EU-Kommission habe sein hybrides Geschäftsmodell ignoriert: Denn Zalando verkaufe auch eigene Artikel. Der DSA gelte aber aber nicht für den Einzelhandel, weswegen die Kundenzahl in dieser Rubrik nicht habe mitgezählt werden dürfen.