Arbeitsmarktbericht 2012 UN-Organisation warnt vor Unruhen durch Sparpakete

Die Arbeitsorganisation Ilo hat vor den "zerstörerischen Auswirkungen" der Sparpakete auf die Beschäftigung gewarnt. Die UN-Experten fürchten schlimmstenfalls sogar Unruhen in Europa.

Die Internationale Arbeitsorganisation (Ilo) hat angesichts der im Zuge der Finanzkrise aufgelegten Sparprogramme vor verheerenden Folgen für den Arbeitsmarkt gewarnt. Sparmaßnahmen und Arbeitsmarktreformen hätten "zerstörerische Auswirkungen" auf die Beschäftigung gehabt, heißt es in dem am Montag in Genf veröffentlichten Arbeitsmarktbericht 2012. Dabei seien trotz aller Kürzungen die Sparziele verfehlt worden. Weiterhin warnte die Sonderorganisation der Vereinten Natione die Regierungen davor, Unruhen auszulösen, wenn sie die Sparprogramme nicht mit Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen kombinierten.

"Die Strategie des Sparens und Regulierens sollte zu mehr Wachstum führen, was jedoch nicht geschieht", sagte der Ilo-Direktor für internationale Arbeitsmarktstudien und Hauptautor des Berichts, Raymond Torres, in Genf. Die Spar-Strategie sei damit "kontraproduktiv" gewesen. Torres bescheinigte den EU-Staaten, "wenig durchdachte" Sparprogramme aufgelegt zu haben. Als Beispiel nannte er Spanien, wo das Haushaltsdefizit trotz drastischer Einsparungen nur von gut neun Prozent im Jahr 2010 auf 8,5 Prozent 2011 gesunken sei.

50 Millionen Arbeitsplätze weniger seit 2008

Dem Ilo-Bericht zufolge gingen seit Beginn der Finanzkrise 2008 rund 50 Millionen Arbeitsplätze weltweit verloren. Die Arbeitslosenquote werde 2012 auf 6,1 Prozent steigen. Das seien 202 Millionen Menschen - drei Prozent oder sechs Millionen Menschen mehr als die vorläufige Zahl für 2011, die bei 196 Millionen Menschen liegt. Im Jahr 2013 würden voraussichtlich noch einmal fünf Millionen Menschen hinzukommen, was eine Quote von 6,2 Prozent bedeute.

Die Ilo zeigte sich besonders besorgt über die Entwicklungen in Europa, wo seit 2010 in mehr als zwei Dritteln der Länder die Arbeitslosenzahlen anstiegen. Aber auch in den USA und Japan stagniere die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Eine steigende Zahl von zunehmend besser ausgebildeten Arbeitskräfte sei in Ländern wie China auf der Suche nach guten Arbeitsplätzen, während in der Arabischen Welt und Afrika weiterhin ein akuter Stellenmangel herrsche.

"Der schmale Fokus vieler Staaten der Eurozone auf Sparprogramme vertieft die Jobkrise und könnte sogar zu einer neuen Rezession in Europa führen", warnte Torres. Lobend äußerte er sich dagegen über Lateinamerika, wo die Arbeitslosigkeit zurückgegangen sei und sich mancherorts auch die Arbeitsbedingungen verbessert hätten. In der Region sei die Gefahr sozialer Unruhen auf einem durchschnittlichen Niveau angekommen, während sie weltweit zugenommen habe.

Kommt ein EU-Wachstumsprogramm?

Unterdessen wurde bekannt, dass die EU einem Zeitungsbericht zufolge die schwächelnde Wirtschaft mit Investitionen von bis zu 200 Milliarden Euro ankurbeln will. Das Geld solle vor allem in Infrastrukturprojekte, den Hochtechnologiesektor und erneuerbare Energien fließen, berichtet die spanische Tageszeitung "El País". Der Plan solle bei einem EU-Gipfel im Juni vorgestellt werden, zitiert das Blatt nicht näher bezeichnete EU-Kreise.

Derzeit würden verschiedene Modelle diskutiert, hieß es weiter. Ziel sei, private Geldgeber mit ins Boot zu holen. Eine Option sei, die EU-Mitgliedsstaaten um 10 Milliarden Euro für die Rekapitalisierung der Europäischen Investitionsbank (EIB) zu bitten. Dies würde die Kreditkapazität der EIB um 60 Milliarden erhöhen. Die Kredite könnten laut "El País" den Weg für Investitionen von 180 Milliarden Euro ebnen.

Die Forderung nach einer stärkeren Fokussierung auf das Wachstum der europäischen Volkswirtschaften war zuletzt mehrfach in den Mittelpunkt gerückt. So hat sich EZB-Präsident Mario Draghi für einen Wachstumspakt ausgesprochen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Wochenende betont, auf dem EU-Gipfel im Juni seien Wachstumsbeschlüsse geplant.

Reuters
be/AFP/Reuters