Das hatte sich die Bundesgesundheitsministerin offenbar zu einfach vorgestellt. Und das, obwohl Nina Warken eigentlich attestiert wird, die Perspektive der Bundesländer gut zu verstehen, schließlich war sie bis vor Kurzem noch Generalsekretärin der CDU in Baden-Württemberg.
Nun haben ihr aber genau diese Bundesländer einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Am Freitag hat der Bundesrat sich geweigert, ein von Warken eilig aufgesetztes Sparpaket durchzuwinken, mit dem die Ministerin eigentlich verhindern wollte, dass es zu einer Erhöhung der Krankenkassenbeiträge Anfang 2026 kommen muss. Die Länder haben die Vorschläge, die der Bundestag bereits verabschiedet hat, an den Vermittlungsausschuss überwiesen. Der soll Lösungen finden, wenn sich Bundestag und Bundesrat nicht einig sind, und ist mit Vertretern von Bund und Ländern besetzt.
Warken will bei Krankenhäusern sparen – daran stören sich die Länder
Zum ersten Mal in dieser Legislatur bremsen die Länder den Bund auf diese Weise aus. Und das bei einem solch nicht nur für die Gesundheitsministerin, sondern eigentlich für die ganze Regierung außerordentlich wichtigen Thema. Denn intern hatte Bundeskanzler Friedrich Merz die Losung ausgegeben, dass die Beiträge zur Krankenversicherung 2026 nicht erneut steigen sollen – zu fatal sei das Signal nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für die Wirtschaft, die anders als geplant, nicht in Schwung kommt und unter den steigenden Sozialversicherungsabgaben ächzt. Zum letzten Jahreswechsel schnellten die Krankenkassenbeiträge auf im Schnitt 17,1 Prozent, der Zusatzbeitrag stieg um 0,8 Prozent.
Es ist an Warken, diese Ansage umzusetzen – nun ist sie damit wohl gescheitert. Weil es der CDU-Politikerin in den Haushaltsverhandlungen nicht gelang, SPD-Finanzminister Lars Klingbeil in Zeiten klammer Klassen genügend Mittel abzutrotzen, um das Milliardenloch bei den Krankenkassen zu stopfen, erarbeiteten ihre Mitarbeiter im Ministerium Vorschläge, wie die Lücke anderweitig geschlossen werden könnte. Man einigte sich darauf, dass der größte Teil, 1,8 Milliarden Euro, bei den Krankenhäusern eingespart werden soll, indem der Anstieg bei deren Vergütungen auf die tatsächlichen Kostensteigerungen begrenzt wird.
Mitte Oktober trat Warken vor die Presse und verkündete vollmundig: "Die Deckungslücke in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der Pflegeversicherung wird geschlossen." Sie durchbreche jetzt die zur Gewohnheit gewordene Routine stetig steigender Beiträge. Die Opposition und die Krankenkassen hatten diese Ankündigungen schon damals bemängelt – ihrer Einschätzung nach war klar, dass auch trotz des Notfall-Sparpakets viele Kassen ihre Zusatzbeiträge zum Jahreswechsel würden anheben müssen, unter anderem, weil sie gesetzlich verpflichtet sind, Rücklagen aufzubauen.
Grüne: "Warkens Versprechen ist endgültig kollabiert"
Nun könnte selbst dieses Notfall-Sparpaket nicht kommen, wodurch die Zusatzbeiträge noch stärker steigen dürften. Von der Opposition kommt harsche Kritik. Die Anrufung des Vermittlungsausschusses sei ein "offenes Misstrauensvotum gegen Ministerin Warken", sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, dem stern. Selbst unionsgeführte Länder hätten damit deutlich gemacht, dass das Paket weder fachlich tragfähig noch politisch verantwortbar sei. "Warkens Beitragssicherungsversprechen ist damit endgültig kollabiert."
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Dahmen geht davon aus, dass der Zusatzbeitrag, der derzeit bei durchschnittlich 2,9 Prozent liegt, auf "deutlich über 3 Prozent" steigen wird. Dieser kommt zum allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent hinzu.
Warken selbst spricht am Freitag davon, dass die Anrufung des Vermittlungsausschusses "ein schlechtes Signal für den Wirtschaftsstandort Deutschland" sei. Die Entscheidung werfe "einen Schatten auf das gemeinsame Ziel, die gesetzliche Krankenversicherung und die soziale Pflegeversicherung insgesamt auf ein stabiles Fundament zu setzen, um Beitragserhöhungen zu vermeiden".
TK-Chef Baas: Kompromiss käme "voraussichtlich zu spät"
Zwar gibt es bei manchem im Bundesgesundheitsministerium die Hoffnung, dass der Vermittlungsausschuss noch vor der letzten Bundesratssitzung in diesem Jahr, Mitte Dezember, zu einer Lösung kommen könnte. Allerdings ist selbst dann fraglich, ob die Kassen dies so kurzfristig für den Jahreswechsel 2026 noch berücksichtigen können. Bei den Krankenkassen beugen sie sich im Moment über ihre Haushaltsplanungen, teilweise finden bereits vor dem Bundesratstermin die Verwaltungsratssitzungen statt, wo die Haushalte festgezurrt werden – und damit auch der Zusatzbeitrag festgelegt wird.
Der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, formuliert das so: "Das Sparpaket war mit rund zwei Milliarden Euro ohnehin schon viel zu klein, um die Beiträge zum Jahreswechsel zu stabilisieren", sagt er. "Selbst wenn im Vermittlungsausschuss jetzt noch ein Kompromiss gefunden wird, käme dieser voraussichtlich zu spät, um noch in den Haushaltsplanungen für das Jahr 2026 berücksichtigt werden zu können."
Insgesamt steigt der Druck damit weiter, dass es zu grundlegenden Reformen für die Finanzierung der Krankenversicherung kommt. Derzeit tagt dazu eine Kommission, die bis März 2026 immerhin erste Vorschläge vorlegen soll.