Deutsche Landwirte und Lebensmittelbetriebe müssen nicht mehr für die zentrale Vermarktung ihrer Produkte zahlen. Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag in Karlsruhe die sogenannten Sonderabgaben für nichtig erklärt, mit denen der Absatzförderungsfonds der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft finanziert wird. Durch die Abgabenpflicht werde seit dem Jahr 2002 unzulässig in die unternehmerische Freiheit der Betriebe eingegriffen, ihr Geld für die eigene Werbung statt für die staatliche Absatzförderung einzusetzen, heißt es in dem Urteil.
Aus dem Fonds, in den 380.000 Agrarbetriebe und Bauern einzahlen und dadurch jährlich im Schnitt 88 Millionen Euro fließen, wird die Centrale Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) finanziert. Die Abgaben betragen durchschnittlich 0,4 Prozent des jeweiligen Warenwerts. Das Geld wird vor allem zur Imagewerbung für die deutsche Landwirtschaft eingesetzt, um den Absatz deutscher Agrarerzeugnisse im globalen Wettbewerb zu fördern. Nach Auffassung der Richter ist der seit 1969 existierende Fonds zumindest seit dem Jahr 2002 verfassungswidrig. Die Werbung für deutsche Produkte wurde bereits 2002 für europarechtswidrig erklärt.
Das Verwaltungsgericht Köln hatte das Verfahren in Karlsruhe vorgelegt. Geklagt haben ein Mühlenunternehmen, eine Geflügelschlachterei sowie der Hühnerhalter Georg Heitlinger aus dem schwäbischen Eppingen.
Die CMA bedauerte das Urteil. "Heute ist ein schwarzer Tag für die deutsche Landwirtschaft", sagte CMA-Geschäftsführer Markus Kraus in Bonn. Deutschlands Landwirte hätten ein Recht auf eine starke Absatzförderung. Aus Sicht der Wirtschaft und der landwirtschaftlichen Verbände sei diese auch weiterhin notwendig. Nun seien Politik und Wirtschaft gefordert, neue Konzepte und Finanzierungsmodelle für die Absatzförderung zu entwickeln.
Nach Ansicht des CMA-Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Hilse hat das Gericht die Umstände nicht ausreichend gewürdigt: "Diese Entscheidung ist eine Konjunkturbremse und passt nicht in die derzeitige Wirtschaftslage. Deutschlands Landwirte sind als Einzelunternehmer auf den hart umkämpften Märkten ohne ein gemeinschaftlich finanziertes Netzwerk verloren."