Einfuhrstopp Moskau verbietet Fleischimporte

  • von Wolfgang Proissl
Kurz vor dem EU-Russland-Gipfel sorgt ein neuer russischer Einfuhrstopp für europäisches Schweine- und Geflügelfleisch für Spannungen. Nach FTD-Informationen hat Moskau insgesamt 70 Betrieben aus sieben EU-Staaten Fleischeinfuhren nach Russland verboten. Die EU hat einen schlimmen Verdacht.

Die Regierung begründete die Sperre mit Rückständen von Antibiotika, die bei Fleischproben gefunden worden seien. Auch 13 Betriebe aus Deutschland sind Diplomaten zufolge betroffen. Der Fleischstreit überschattet den ersten EU-Russland-Gipfel unter dem neuen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew Ende der Woche im westsibirischen Chanty-Mansijsk. Beide Seiten wollten das Treffen als Neubeginn im bilateralen Verhältnis nutzen. Das Symbol dafür soll der Verhandlungsstart für ein neues Partnerschaftsabkommen sein. Doch tatsächlich belasten zähe Konflikte um Gebühren für transsibirische Überflugrechte, Holzexportzölle und nun der erneute Fleischstreit die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen. Bis vor Kurzem hatte ein Fleischstreit zwischen Polen und Russland die Atmosphäre vergiftet.

Protektionistische Motive

Ein Sprecher von Handelskommissar Peter Mandelson nannte das aktuelle Einfuhrverbot für Schweine- und Geflügelfleisch am Montag "einen Anlass zu großer Sorge" für die Behörde. "Europäische Landwirtschaftsprodukte, die nach Russland exportiert werden, sind sicher und entsprechen internationalen Standards."

Die Kommission vermutet hinter dem Importstopp protektionistische Motive. Medwedew und sein Vorgänger, Premier Wladimir Putin, nutzten den Gesundheitsschutz, um EU-Konkurrenten vom Markt zu drängen, so der Verdacht. Ziel seien starke heimische Produzenten, die Russland Lebensmittelautarkie sicherten.

Angst vor Streit

Moskau pocht darauf, dass Importfleisch keinerlei Spuren von Antibiotika aufweisen darf. "Das ist kein politisches Thema", versicherte am Montag Russlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow. Das Verabreichen von Antibiotika ist allerdings weltweit üblich und entspricht internationalen wie europäischen Standards.

Neben Deutschland sind Betriebe in Frankreich, Dänemark, Italien, Spanien, Belgien und Ungarn betroffen. Brüssel schätzt, dass ein Drittel der Schweinefleisch- und die Hälfte der Geflügelfleischausfuhr nach Russland betroffen sind. Die EU ist mit den USA Russlands größter Lieferant.

Formal hat Europa keine Handhabe gegen den neuen Importstopp. Russland ist noch nicht Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) und verstößt somit nicht gegen die dort geltenden Regeln. Außerdem schreckt die EU vor hartem politischem Streit mit Russland zurück, um einen raschen russischen WTO-Beitritt nicht zu gefährden. Denn nur wenn Russland WTO-Mitglied ist, kann die EU mit dem Land einklagbare Regeln für die bilateralen Wirtschafts- und Energiebeziehungen vereinbaren.

FTD