Als sein zehn Wochen alter Sohn am plötzlichen Kindstod starb, sagte Elon Musk seiner Ehefrau Justine, dass er nicht darüber reden wolle. Außerdem halte er ihre Trauer für "emotional manipulativ", erzählte sie in einem Interview. Wenig später bei einem Streit schrie sie ihn an: "Ich bin deine Frau und nicht deine Angestellte." Er erwiderte kühl: "Wärst du bei mir angestellt, würde ich dich feuern." Tatsächlich wurde die Ehe kurz darauf geschieden. Seine Exfrau Justine sagt heute über ihn: "Er tut, was er will, und dabei ist er gnadenlos. Es ist Elons Welt, und der Rest von uns lebt auch darin."
Elon Musk ist Egomane, Narziss und auch Fantast, der nachts nicht schläft, weil er fürchtet, eine Flotte von Robotern könne die Weltherrschaft übernehmen. Nur er, so ist der 43-Jährige überzeugt, könne die Menschheit vor dem Untergang retten. Dafür müsse er sie auf den Mars bringen. Zur Not werde er dafür den Roten Planeten auch aufheizen. Er wäre gern wie Iron Man, der Held aus dem Comic, der das Böse besiegt. Eine Figur des Superhelden steht in seinem Büro.
"Eher begehe ich Selbstmord, als zu scheitern"
Das klingt alles ziemlich verrückt. Aber dieser Elon Musk könnte tatsächlich Geschichte schreiben. Als der Mensch, der die Welt zu einem besseren Ort machte. Als der Superindustrielle, der gleich drei Branchen - Auto, Raumfahrt und Energie - auf den Kopf stellte. In einer Fabrik bei San Francisco lässt er Luxusautos bauen, die mit Strom fahren. In Los Angeles produziert er Raketen für die Weltraumfahrt. Überall in den USA verkauft er Solaranlagen. SpaceX und SolarCity heißen seine Firmen. Musk sagt über sich: "Ich würde eher Selbstmord begehen als scheitern."
Er liebt nun mal große Sprüche. Nur die großen Auftritte liegen ihm nicht. So wie vor drei Wochen, als er in Los Angeles sein neuestes Projekt präsentierte. Nervös trat der bullige Mann auf die Bühne. Wie so oft war sein Hemd einen Knopf zu weit geöffnet. Machte er einen Witz, lachte er selbst am lautesten. Er wirkte unvorbereitet, strauchelte in seinen Sätzen, musste immer wieder von vorn anfangen. Trotzdem hingen alle im Saal an seinen Lippen und jubelten und schrien "Yeah" und "Wow".
Denn was Musk so unbeholfen präsentierte, könnte zum Schlüssel einer neuen grünen Energieversorgung werden. Bisher war es schwierig, Strom, der aus Solar- oder Windanlagen stammte, zu speichern. Nun kündigte der Hightech-Industrielle "Powerwall" an. Eine große und vor allem günstige Lithium-Ionen-Batterie, die an Hauswänden installiert wird und erstmals Energie für jedermann speicherbar macht. Noch in diesem Sommer soll der Zukunfts-Akku für 3500 Dollar in den USA auf den Markt kommen. 40.000 Bestellungen sind schon eingegangen. 2016 soll der Verkauf dann in Deutschland starten.
Die Wege, die Elon Musk als Unternehmer geht, sind spektakulär, als Chef aber halten ihn viele für ein Ekel. Er macht Angestellte nieder, zwingt ihnen aberwitzige Ziele auf und lässt sie bis zur totalen Erschöpfung schuften. Wer Tippfehler in E-Mails macht oder zu lange nichts "Fantastisches" leistet - der fliegt.
Das hartherzige Verhalten Musks beschreibt der amerikanische Journalist Ashlee Vance in seiner nun in den USA und Deutschland erscheinenden autorisierten Biografie des Unternehmers. Vance gelang es, den sonst extrem misstrauischen Musk zu mehr als 30 mehrstündigen Gesprächen zu treffen, mal beim Essen, mal im Hauptquartier der Raketenfirma SpaceX. "Er ist ein unglaublich intensiver Mensch", sagt Vance, "Er ist kompliziert und vielschichtig. Ich wusste nie, wann er die Lust an den Interviews verliert und vielleicht aussteigt."
Schon mit 30 unglaublich reich
Vance erzählt, wie Musk seine langjährige Assistentin und engste Vertraute Mary Beth Brown entließ. Mehr als ein Jahrzehnt hatte sie ihr Leben für ihn zurückgestellt. Arbeitete ihr Chef die Nächte durch, blieb Brown ebenfalls. Zwischen den beiden herrschte blindes Verständnis. Im vergangenen Jahr bat sie Musk um eine Gehaltserhöhung. Er antwortete kühl, sie solle ein paar Wochen frei nehmen, er wolle ihre Arbeit übernehmen, um herauszufinden, wie anstrengend sie sei. Als Brown zurückkam, ließ Musk ihr ausrichten, sie werde nicht mehr gebraucht.
Mitarbeiter, Geschäftspartner und Freunde beschreiben Musk als arbeitswütig und extrem risikobereit. Seine ersten Millionen machte er 1999, da war er 27 Jahre alt. Kaum aus dem College, hatte er in Palo Alto die Firma Zip2 gegründet, eine Kombination aus Kartendienst und Adressbuch im Internet. Kurz bevor die Internetblase platzte, verkaufte er das Start-up und bekam 22 Millionen Dollar. Das gewonnene Geld bunkerte er nicht, sondern steckte es sofort in die Entwicklung eines Bezahldienstes. Drei Jahre später wurde Paypal von Ebay für 1,5 Milliarden Dollar übernommen. Musk bekam davon 250 Millionen.
Und so war er mit 30 Jahren unglaublich reich. Doch er wollte mehr - mindestens die Menschheit retten. Er gab 100 Millionen für die Raumfahrt und SpaceX, 70 Millionen gingen an die Elektroautofirma Tesla, 30 Millionen an das Energieunternehmen Solarcity. Das war riskant, manche sagten auch: aberwitzig. Seine teuren Raketen explodierten, die Batterien seiner Autos brannten, und vor allem Geld war notorisch knapp. "Vor vier Monaten ist mir das Geld ausgegangen", ließ er seine Anwälte 2008 an den Scheidungsrichter schreiben.
Heute aber stürzen seine Raketen nur noch selten ab. 15 Mal schon flogen sie für die Nasa, ein Milliardengeschäft. Seine Elektroautos gelten als cool, und mit seinem Solarkonzept wurde er in den USA zum Marktführer. Elon Musk schwimmt in Geld. Nun träumt er weiter. Zwischen Los Angeles und San Francisco will er den "Hyperloop" pendeln lassen, einen futuristischen Röhrenzug, der in einem Vakuum bis zu 1220 km/h schnell fährt und für die knapp 600 Kilometer lange Strecke nur eine halbe Stunde brauchen soll. "Elon Musk kann bedeutendere Dinge als Steve Jobs schaffen", sagt sein Biograf Ashlee Vance. "Die Frage ist aber, ob er das emotional und körperlich durchhält."
Ein Mann der Extreme
Elon Musk ist ein Mann der Extreme. Ein Mann mit extremer Kindheit. Er wuchs auf in Südafrika, ein hochbegabter Wunderknabe, der aus Langeweile Lexika auswendig lernte. Wenn andere Kinder sich nachts fürchteten, erklärte er ihnen: "Dunkelheit ist nur die Abwesenheit von Photonen." Sein jüngerer Bruder Kimbal sagte später in Interviews: "Sein Verhalten war die perfekte Katastrophe."
Über Jahre hinweg wurde Elon gemobbt und verprügelt. Mehrmals wechselte er die Schule, doch es hörte nicht auf. Einmal lauerten ihm seine Mitschüler auf. Musk erzählte auf einer Pressekonferenz: "Ich versteckte mich, weil sie mich aus Gott weiß welchem Scheißgrund gejagt hatten." Als sie ihn fanden, traten sie ihm gegen den Kopf, stießen ihn die Treppe hinunter und schlugen seinen Kopf auf den Boden. "Es dauerte eine Woche, bis ich wieder in die Schule konnte."
Er scheint unfähig zu echten Gefühlen
Auch zu Hause litt Elon Musk unter Misshandlungen. Nach der Scheidung seiner Eltern war er als Teenager zu seinem Vater nach Pretoria gezogen. Was in den Jahren dort geschah, darüber möchte die Familie Musk so wenig wie möglich reden. Bruder Kimbal, der später zum Vater nachzog, sagt: "Es war ein emotional sehr schwieriges Aufwachsen, aber es hat uns zu dem gemacht, was wir sind." Elon Musk deutete in der Vergangenheit mehrmals in Interviews an, er sei psychologischer Folter ausgesetzt gewesen. Seine Mutter Maye erzählte dem Musk-Biografen Vance: "Ich möchte keine Geschichten erzählen, weil sie so schrecklich sind." Mit 17 Jahren floh Elon nach Kanada, jobbte und studierte erst dort und später in den USA.
Heute trägt der Sohn mehr vom Vater in sich, als er zugeben will. Er scheint unfähig zu echten Gefühlen. Ihm werden autistische Züge nachgesagt. Auch zu Menschen, die er vorgibt zu lieben, scheint er keine echte Bindung aufbauen zu können. Er nimmt sich, was er will. Seine Frau Justine schrieb einen Artikel über die Jahre der Ehe mit Musk: Sie habe nach dem Tod des Sohnes an schweren Depressionen gelitten, erzählt sie dort. Nur wenige Wochen später ging sie in die Fruchtbarkeitsklinik. Innerhalb von fünf Jahren gebar sie zunächst Zwillinge, dann Drillinge.
Später servierte Musk sie eiskalt ab. Justine Musk schrieb über den Tag der Trennung in einer amerikanischen Zeitschrift. Musk habe ihr ein Ultimatum gestellt: "Entweder wir retten die Ehe heute - oder es ist vorbei." Sie habe um mehr Zeit gebeten. Musk habe ihr über den Kopf gestreichelt - und sei gegangen. Mittags sperrte er ihre Kreditkarten. "Da war mir klar, dass er die Scheidung eingereicht hatte, was er mir übrigens nicht selbst sagte, sondern von jemand anderem ausrichten ließ", schreibt Justine. Musk heiratete noch zwei Mal - die britische Schauspielerin Talulah Riley. 18 Monate nach der ersten Trennung heiratete er sie erneut. Inzwischen sind sie wieder geschieden. Musk ist Single.
Er will auf dem Mars sterben
Heute gibt es Freunde, die an seinem Geisteszustand zweifeln. An seinem 40. Geburtstag ließ er sich an eine Wand ketten, und ein Messerwerfer zielte auf Ballons neben dem Kopf und zwischen den Beinen.
Es scheint, als lebe und arbeite er immer nach dem Motto: alles oder nichts. Er kann nicht ohne Risiko. Immer auf Messers Schneide. "Es gibt bei mir das nagende Gefühl, dass alles kaputtgehen könnte", sagt Musk. Eine explodierte Rakete, ein Rückruf seiner Autos - und alles kann vorbei sein. Für sein eigenes Ende hat er einen Plan: "Ich will auf dem Mars sterben."
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