Das vom britischen BP-Konzern herbeigeschaffte voll klimatisierte Zelt bietet 1280 Feiergästen Platz. 15 Staatschefs, fast 30 Ministerpräsidenten und annähernd 50 Energie- und Außenminister wurden geladen. Die Türkei lässt sich die offizielle Eröffnung der transkaukasischen Rohölpipeline BTC (Baku-Tiflis-Ceyhan) an ihrem Endpunkt im Mittelmeerhafen Ceyhan einiges kosten. Die knapp 1770 Kilometer lange Röhre, durch die kaspisches Öl unter Umgehung Russlands und des Irans für die Öl-Märkte des Westens ans östliche Mittelmeer fließt, wird in der Türkei als "Jahrhundertwerk" gefeiert. Unterstreicht sie doch die geostrategische Bedeutung der Türkei und ihr Bestreben, zum Energiekorridor Europas zu werden.
Das erste Öl aus Aserbaidschan kam bereits am 28. Mai am türkischen Mittelmeer an, der erste Tanker mit "Aseri Light", wie das kaspische Öl genannt wird, verließ den türkischen Hafen Ceyhan eine Woche später. Die Pipeline, die bei voller Kapazität täglich eine Million Barrel (je 159 Liter) transportieren soll, verläuft 442 Kilometer durch Aserbaidschan, 248 Kilometer durch Georgien und 1070 Kilometer durch die Türkei. Gebaut wurde die rund 2,5 Milliarden Euro teure Leitung von einem Konsortium unter Führung des BP-Konzerns.
Die Eröffnung dieser bislang teuersten Ölpipeline wird nach Expertenansicht den Weltrohölmarkt entscheidend verändern. "Mit der Pipeline kann Öl aus der kaspischen Region auf den Weltmarkt gebracht werden, ohne dass der Iran oder Russland Einfluss nehmen können", sagte Adolf Feizlmayr, geschäftsführender Gesellschafter des deutschen Pipelineplaners ILF Beratende Ingenieure GmbH (München).
Reserven von über 100 Milliarden Barrel
ILF plante den 1076 Kilometer langen türkischen Abschnitt der insgesamt rund 1770 Kilometer langen Ölleitung, deren Betreiber und wesentlicher Gesellschafter der britische BP-Konzern ist. Die Pipeline soll bei voller Auslastung jeden Tag eine Million Barrel (je 159 Liter) Rohöl transportieren. Aufs Jahr gerechnet sind dies 50 Millionen Tonnen, dies entspricht etwa der Hälfte des jährlichen Rohölverbrauchs Deutschlands. Von Baku am Westufer des Kaspischen Meeres fließt das Öl durch Aserbaidschan, über die Berge Georgiens und der Türkei, nach Ceyhan an der türkischen Mittelmeerküste. Dort wird das Öl, das aus dem Azeri-Chirag-Gunashli-Ölfeld im aserbaidschanischen Sektor des Kaspischen Meeres stammt, auf Großtanker verladen. "In dem Ölfeld werden Reserven von mindestens 100 Milliarden Barrel vermutet", sagte Feizlmayr.
Der weltweit wachsende Ölbedarf, der extreme Preisanstieg und die Unsicherheiten in der Versorgungslage drängen die Ölkonzerne zur Erschließung immer neuer Wege. "Die Trasse war von Anfang an auch ein politisches Projekt", erläuterte Feizlmayr. Mit der Erschließung neuer Ölfelder und dem Bau neuer Leitungen werde die weltweite Ölversorgung unabhängiger und sicherer. "Die BTC-Pipeline ist die erste große Leitung, die den Westen versorgt, ohne durch arabischen Sand und irakisches Gelände, über iranische Küsten oder russische Steppen zu führen", erklärte der 69-Jährige. Die Türkei werde zum bedeutenden Energiekorridor zwischen Asien und Europa. Zudem sei vor allem in Indien und China in den vergangenen Jahren der Bedarf an Öl dramatisch gewachsen.
Technische Großleistung
Die Realisierung dieses "Jahrhundertprojekts", wie Feizlmayr die auf ihrer kompletten Länge eingeerdete Pipeline nennt, stellte ihre Erbauer vor große technische Herausforderungen. Fünf Jahre plante und begleitete ILF den Bau, bis die Leitung fertig war. "Der höchste Punkt der Pipeline liegt auf mehr als 2800 Meter Höhe, Täler mit einer Höhendifferenz von bis zu 1000 Meter mussten gequert werden, rund 600 Wasserläufe gekreuzt und sechs aktive Erdbebenzonen gequert werden", sagte Feizlmayr. Zwischen den beiden Terminals am Anfang und am Ende der Pipeline liegen 150 000 Rohrsegmente, die mit ebenso vielen Schweißnähten verbunden sind. Acht Pumpstationen, davon vier in der Türkei, befördern das Rohöl.
Doch durch diese Pipeline soll künftig auch kasachisches Öl fließen. Eine entsprechende Vereinbarung unterzeichneten die Präsidenten Aserbaidschans und Kasachstans Mitte Juni. Ein Anschluss Kasachstans, das unter den Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres über die größten Ressourcen verfügt, trägt entscheidend zur maximalen Auslastung der BTC-Pipeline bei.
Pipeline zu den irakischen Ölfeldern
Der Ausbau von Ceyhan zu einem großen internationalen Öl- und Gasumschlagplatz - zu einem "Rotterdam am Mittelmeer", wie es der Türkei vorschwebt - steht dagegen noch bevor. Schon seit längerem endet am türkischen Mittelmeer eine Pipeline, die zu den Ölfeldern Nordiraks führt. Die Vorbereitungen für eine neue Rohrleitung, über die Rohöl von Samsun am Schwarzen Meer zum Erdölterminal Ceyhan gepumpt werden soll, sind bereits angelaufen.
Mit dem Bau des 1,5 Milliarden-Dollar-Projekts, für das die türkische Calik-Gruppe eine Kooperationsvereinbarung mit dem italienischen Energiekonzern ENI eingegangen ist, soll 2007 begonnen werden. "Drei Jahre später wird das Öl nach Ceyhan fließen", sagt Firmenchef Ahmet Calik. Von der geplanten Nord-Süd-Pipeline verspricht sich die Türkei auch eine Entlastung der türkischen Meerengen. Die gefährlich gestiegenen Tankertransporte durch das Nadelöhr Bosporus, der das Schwarze Meer mit der Ägäis verbindet, sind bislang die wichtigste Route für russische Erdöl-Exporte in den Westen.
Auch Erdgas strömt über die Türkei
Doch auch beim Erdgas schickt sich die Türkei an, zu einer wichtigen Energiedrehscheibe für den Westen zu werden. Durch eine "Blauer Strom" genannte Unterwasserleitung, die vor acht Monaten im Schwarzmeer-Hafen Samsun offiziell eröffnet wurde, fließt russisches Erdgas ohne Zwischenstopp in die Türkei. Eine Binnenroute führt weiter über Ankara nach Ceyhan ans Mittelmeer. Auf den europäischen Markt zielt eine im Bau befindliche Gaspipeline zwischen der Türkei und Griechenland, die bis zum Jahr 2010 nach Italien verlängert werden soll.
Direkt mit Erdgas aus Zentralasien soll Europa durch das Großprojekt Nabucco beliefert werden. Am Bau der 3300 Kilometer langen Pipeline wollen sich die Türkei, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Österreich beteiligen. Die Arbeiten könnten bis 2008 beginnen, hieß es jüngst in Wien. Das erste Erdgas durch die Nabucco-Pipeline könne dann 2011 in Richtung Europa fließen.