Als Wirtschaftsminister Philipp Rösler Mitte September als erstes Mitglied des Kabinetts offiziell eine Pleite Griechenlands ins Spiel gebracht hat, war die Empörung groß. Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble beeilten sich, den Minister für seine Worte zu geißeln. Sie warnten davor, die Krise mit solchen Äußerungen zu befeuern. Und auch beim Treffen der Euro-Finanzminister in Luxemburg fiel das Wort Pleite nicht. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker stellte nach dem Treffen klar: "Niemand hat sich für eine Insolvenz Griechenlands eingesetzt. Alles wird getan, um dies zu vermeiden, und es wird vermieden werden." EU-Währungskommissar Olli Rehn sprang ihm zur Seite: "Eine Pleite ist nicht Teil unseres Szenarios."
Die Deutschen glauben den beruhigenden Worten der Politiker nicht. Nach einer repräsentativen N24-Emnid-Umfrage mutmaßen 84 Prozent der Befragten, dass die Situation beschönigt wird. Nur 12 Prozent vermuten, dass die Politiker die Wahrheit sagen. Zwei Drittel der Deutschen gehen der Umfrage zufolge von einer Pleite Griechenlands aus - trotz aller Rettungsversuche. Nur 35 Prozent glauben an die Rettung des Landes.
Die Spekulationen über eine Pleite Griechenlands werden auch bei den Politikern immer lauter. Philipp Rösler findet immer mehr Unterstützer einer "geordneten Insolvenz" Griechenlands – ein etwas verniedlichende Bezeichnung für eine Pleite. Längst machen in Berlin Vermutungen die Runde, dass die Geldgeber nach der nächsten Rate an Athen den Hahn endgültig zudrehen wollen.
"Griechenland ist pleite"
Die Liste der Politiker, die von einer Rettung des Landes nicht mehr so viel halten, wird immer länger - vor allem in der Union. Zuletzt forderte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt von der Bundesregierung Vorbereitungen für eine Insolvenz Griechenlands. Der "Bild"-Zeitung sagte er: "Griechenland ist pleite. Eine Umschuldung muss kommen und eine erfolgreiche Sanierung Griechenlands kann es nur außerhalb der Euro-Zone geben." Die notwendigen Vorkehrungen dafür müssten jetzt getroffen werden.
Zuvor hatte bereits der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Norbert Barthle, eine Insolvenz des überschuldeten Landes nicht ausgeschlossen. "Wenn es Griechenland nicht schafft, müssen wir uns mit der Alternative geordnete Insolvenz und einer Umschuldung auseinandersetzen."
Und auch CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs hält zur Lösung der Schuldenkrise im Falle Griechenlands einen kräftigen Schuldenschnitt für nötig. Griechenland sei pleite, sagte Fuchs der "Rheinischen Post". "Wahrscheinlich wird es nicht anders gehen, als dass wir Athen mindestens 50 Prozent seiner Schulden erlassen."
Merkel weiß auch nicht, wie es weitergeht
Die Union hat den Glauben an die Rettung ganz offenkundig längst verloren: Wolfgang Bosbach blieb der Probeabstimmung für den Rettungsschirm fern und warnte vor einer Schuldenunion. Klaus-Peter Willsch, hält Griechenland für "unrettbar pleite." Außerhalb eines kleinen Karrees um das Kanzleramt und den Reichstag herum gebe es in diesem Land niemanden, der noch glauben würde, dass Griechenland seine Schulden zurückbezahlen kann, sagte er.
Und auch woanders - nur noch bittere Wahrheiten. FDP-Politiker Frank Schäffler warnte, das heutige Europa sei "auf dem Weg zur monetären Planwirtschaft". Die neue SPD-Ikone Peer Steinbrück stimmt mit ein: "Griechenland ist pleite. Es ist an der Zeit, das einzugestehen“, sagt er. Das Land werde auf absehbare Zeit nicht an den Kapitalmarkt zurückkehren und sich dort refinanzieren können.
Auch wenn Kanzlerin und Finanzminister öffentlich weiter beschwichtigen und sich gegen eine Insolvenz aussprechen: Klar ist, dass diese Option hinter den Kulissen diskutiert wird, denn noch ist überhaupt nicht klar, ob Griechenland mit immer neuen Milliardenspritzen gerettet werden kann. Am Dienstagabend wurde Schäuble in Luxemburg gefragt, ob er im Kreis seiner Kollegen über eine Insolvenz Griechenlands gesprochen habe, sagte er: „Wir haben eine lange und offenen Diskussion geführt.“ Ein klares „Nein“ ist das nicht.
Merkel hingegen warnt weiterhin konsequent vor Umschuldungen. Dies könne Begehrlichkeiten anderer Staaten wecken, sich ebenfalls auf diese Weise ihrer Schulden zu entledigen. Eine Umschuldung sei das allerletzte Mittel, wenn wirklich gar nichts anderes mehr gehe. Aber Abenteuer seien nicht ihre Sache. Immerhin gibt sie schonungslos offen das Dilemma der Politiker in dieser bisher einzigartigen Finanzkrise zu: Sie sei vorsichtig, "weil ich nicht weiß, wie es weitergeht."