Zur Urteilsverkündung erscheint der Hauptangeklagte Helmut Elsner, Ex-Chef der österreichischen Gewerkschaftsbank Bawag, in weißen Gesundheitsschlappen. Die Hitze im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgericht, im Volksmund "Landl" genannt, ist erdrückend. Das Thermometer zeigt 31 Grad. Um einen Sitzplatz zu ergattern, haben sich die Schaulustigen eine Stunde vor Prozessbeginn anstellen müssen. "Gemma Elsner schauen" lautet ihr Motto.
Hunderte Schaulustige sind nicht umsonst gekommen: Der größte Wirtschaftsskandal Österreichs endet am Freitag mit einem Paukenschlag. Alle neun Angeklagte, darunter viele Bankgrößen, werden zu überraschend hohen Haftstrafen verurteilt. Elsner muss wegen schweren Betrugs und Bilanzfälschung neuneinhalb Jahre ins Gefängnis, verkündete Richterin Claudia Bandion-Ortner nach 116 Verhandlungstagen. Die Höchststrafe hätte bei zehn Jahren gelegen.
Tags zuvor hat ein US-Gericht in New York den ehemaligen Chef der Brokerfirma Refco, Phillip Bennett, zu 16 Jahren Haft verurteilt. Die Bawag war einst an Refco, einem US-Derivatehändler, beteiligt. Erst durch die Pleite des US-Brokers war der Finanzskandal in Österreich ans Licht gekommen.
"Alle Angeklagten sind schuldig"
Die Bawag, eine der führenden Banken des Landes, hatte über dubiose Finanzgeschäfte Milliarden in der Karibik verspekuliert und dies jahrelang verschleiert. Das Institut konnte nach Auffliegen des Skandals durch den Notverkauf an den US-Investor Cerberus gerettet werden. Im Zuge der Affäre drohte auch dem früheren Haupteigentümer der Bank, dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, der Zusammenbruch. In der Zeit, als die Spekulationsverluste anfielen, war zudem die BayernLB mit 46 Prozent an der Bawag beteiligt.
"Alle Angeklagten sind schuldig", beginnt die Richterin am Freitag in schwarzem Talar und weißem Schal die Verlesung des Urteils. Zu diesem Zeitpunkt ist es im Saal so still, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. Während der Urteilsbegründung müssen alle Anwesenden stehen - eine Stunde lang. Als die Richterin auf die Rolle Elsners zu sprechen kommt, huscht diesem ein trotziges Lächeln übers Gesicht. Er blickt zu seiner Frau, die das Geschehen mit versteinerter Miene verfolgt. Elsners Tochter kämpft mit den Tränen. "Man wollte mich hängen sehen", kommentiert der 73-jährige Ex-Banker später das hohe Strafmaß, das für ihn "wahrscheinlich lebenslänglich" bedeutet.
Das Gericht hält Elsner einen Schaden von 1,72 Milliarden Euro vor. Die übrigen Angeklagten erhalten Haftstrafen von 18 Monaten bis zu fünf Jahren. Zudem müssen sie der Bawag Schadensersatz von insgesamt 75 Millionen Euro leisten. Mit Ausnahme von US-Investmentbanker Wolfgang Flöttl, dem Sohn von Elsners Vorgänger Walter Flöttl, haben alle Verurteilten Berufung gegen das Urteil angekündigt. Flöttls Anwalt bat am Freitag um Bedenkzeit.