Es sind bemerkenswerte Bilder, die Robert Habeck an diesem Sonntag aus Doha liefert. Habeck in freundlichem Plausch mit dem katarischen Energieminister in der Hotel-Lounge. Habeck in tiefer Verbeugung beim Händeschütteln mit dem katarischen Handelsminister. Habeck mit nachdenklichem Blick vor dem Persischen Golf, in irgendeiner Pause zwischen den zahlreichen Meetings, die helfen sollen, Deutschlands Energieversorgung zu sichern.
"Großartigerweise" sei vereinbart worden, eine langfristige Energiepartnerschaft zu vereinbaren, verkündet Habeck nach dem Treffen mit dem Emir. Details müssen noch verhandelt werden, aber klar ist: Katar soll mehr Flüssiggas nach Deutschland liefern, um schneller unabhängig von Russland zu werden.
Es ist eine moralisch heikle Mission: Noch vor kurzem diskutierte Deutschland vehement über Boykott- und Protest-Aktionen gegen die Fußball-WM in Katar. Noch Ende November eskalierte eine Jahreshauptversammlung des FC Bayern, weil die Fans ihren Verein nicht von einem autokratischen Regime sponsern lassen wollen, das wegen Menschenrechtsverstößen in der Kritik steht. Nun reist ein grüner Wirtschafts- und Klimaschutzminister in das geschmähte Land, um den Emir und seine wichtigsten Leute persönlich um die Lieferung von Flüssiggas zu bitten.
Putin mit dem Emir austreiben?
Putins brutaler Angriff auf die Ukraine erschüttert nicht nur die Gewissheiten der deutschen Energieversorgung. Es justiert auch die Rangfolge neu, mit wem welche Geschäfte noch wie akzeptabel sind. Habeck selbst drückte es in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" so aus: "Zwischen einem nicht demokratischen Staat, bei dem die Situation der Menschenrechte problematisch ist, und einem autoritären Staat, der einen aggressiven, völkerrechtswidrigen Krieg vor unserer Tür führt, gibt es noch mal einen Unterschied. Wir können nicht alle Länder von Lieferungen ausschließen."
Will heißen: Auf einmal bezahlen wir mit unserer Gasrechnung einen mörderischen Angriffskrieg in Europa. Und um schnell von der russischen Abhängigkeit loszukommen, braucht Deutschland nun jedes Gas, das es kriegen kann. Dafür legt sich Habeck mächtig ins Zeug. Er war schon zu Besuch beim Flüssiggas-Großexporteur USA, im wichtigsten europäischen Lieferland Norwegen und nun führt ihn seine Shoppingtour zur LNG-Weltmacht Katar.
Letzteres findet nicht jeder akzeptabel. Kritiker verweisen zurecht auf die erbärmliche Lage der Gastarbeiter in Katar. Auf mangelhafte Frauenrechte, Schwulenfeindlichkeit und die Unterstützung radikalislamischer Gruppen. Das Land ist eine nicht-demokratische Monarchie auf Grundlage der Scharia. Der Vorwurf: Man kann nicht den einen Despoten von der Lieferliste streichen und durch den nächsten Schurkenstaat ersetzen.
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Ausweg Energiewende
Allerdings hat Habeck mit seinem Kernargument nicht Unrecht: Katar führt derzeit keinen Vernichtungskrieg. Und ohne Importe aus Staaten wie Katar wird es wohl unmöglich, kurzfristig den enormen russischen Anteil an Energieimporten zu ersetzen.
Zudem geht es nicht darum, sich von Katar ebenso abhängig zu machen, wie es Deutschland derzeit von Russland ist. Das Emirat ist nur eines von mehreren Lieferländern von LNG. Selbst wenn Deutschland wollte, könnte Katar die russischen Mengen nicht ansatzweise ersetzen. Katar gehört zwar zu den größten LNG-Exporteuren der Welt, doch für einen Großteil der Kapazitäten existieren bereits langfristige Liefervereinbarungen, vor allem mit asiatischen Ländern.
Wer Gas aus Katar als No-Go ansieht, sollte zudem bedenken, dass auch andere Rohstoffe von zweifelhaften Partnern stammen. Öl etwa stammt zum größten Teil aus Russland, aber auch aus Libyen oder Aserbaidschan. Und einer der wichtigsten deutschen Handelspartner überhaupt ist China, ein autoritärer Staat, der die Uiguren unterdrückt, Hongkong eingesackt hat und Taiwan bedroht. Es ist schwer, sich im globalen Handel zu bewegen und dabei allen nicht-demokratischen Ländern mit zweifelhaftem Rechtsstaat aus dem Weg zu gehen.
Bei der Energieversorgung gibt es immerhin langfristig einen Ausweg zu den in jeder Hinsicht schmutzigen fossilen Rohstoffen: den Ausbau der erneuerbaren Energien, der so lange verschleppt wurde. Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden. Dann bräuchte man weder Gas aus Russland noch aus Katar. Am Montag reist Habeck in die Vereinigten Arabischen Emirate weiter. Dort soll es dann um grünen Wasserstoff gehen.