Herbstgutachten Deutsches Wachstum bricht ein

Von Birgit Marschall, Thomas Fricke und Monika Dunkel
Deutschland wird nach der neuen Prognose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute 2009 nur noch ein minimales Wirtschaftswachstum erreichen. Wirtschaftsminister Glos kündigte bereits an, eine milliardenschwere Steuerentlastung vorzuziehen.

Der Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) werde von 1,8 Prozent im laufenden Jahr auf 0,2 Prozent im kommenden Jahr zurückgehen, heißt es in der Gemeinschaftsdiagnose der Institute, die in Berlin vorgestellt wird. Im Durchschnitt des kommenden Jahres werde die Zahl der Arbeitslosen mit 3,2 Millionen zwar noch auf dem Niveau des laufenden Jahres liegen. Allerdings steige die Zahl der Arbeitslosen von Januar bis Dezember um insgesamt 223.000.

Die starke Euro-Aufwertung bis zur Mitte des Jahres, hohe Rohstoff- und Energiepreise sowie die einbrechende Nachfrage in wichtigen deutschen Absatzmärkten vertiefen nach Einschätzung der Institute den Konjunkturabschwung. Hinzu komme die Zuspitzung der internationalen Finanzkrise. Allerdings dürfte die Inflation der Prognose zufolge im kommenden Jahr deutlich zurückgehen. Die Institute fordern die Europäische Zentralbank (EZB) zu weiteren Zinssenkungen auf.

Wirtschaftswachstum tendiert "in Richtung null"

Die Institutsprognose bildet die Grundlage für die Vorhersage der Bundesregierung, die Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) kurz darauf vorlegen wird. Auch die Regierung geht davon aus, dass das Wirtschaftswachstum 2009 "in Richtung null" tendiert, wie es zuletzt in Regierungskreisen hieß. Zu erwarten ist, dass die Regierung leicht unter der Institutsprognose bleiben und nur noch 0,1 Prozent Wachstum oder - wie jüngst auch der Internationale Währungsfonds (IWF) - eine Stagnation voraussagen wird. Bisher hatte die Bundesregierung ein Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent für 2009 vorausgesagt.

Glos forderte wegen der Finanzkrise und des sich verstärkenden Abschwungs eine Entlastung von Bürgern und Unternehmen. Die bessere Absetzbarkeit der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung solle noch auf 2008 vorgezogen werden, sagte der Minister nach einem Treffen mit Spitzenvertretern der deutschen Wirtschaft. Die Große Koalition plant diese Entlastung von insgesamt rund neun Milliarden Euro bisher erst für das Jahr 2010.

Unternehmen im extremen Belastungstest

Glos warb zudem für ein Absenken der Einkommensteuer für Normalverdiener. Zugleich stellte er die geplanten Klimaschutzauflagen für die Autoindustrie infrage. Es müsse einen Aufschub geben, sagte Glos adressiert an die EU-Kommission in Brüssel. Die deutschen Unternehmen befänden sich bereits in einem extremen Belastungstest. Deshalb empfehle er ein "Belastungsmoratorium" für die Wirtschaft, sagte Glos.

Nach Einschätzung der Wirtschaftsverbände gibt es derzeit keine Kreditklemme. "Uns sind keine Fälle bekannt", sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt. Sollte der Mittelstand Probleme mit der Kreditversorgung bekommen, werde die staatseigene Förderbank KfW bereitstehen, kündigte Glos an.

FTD