Britischer Milliardär Wie Joe Lewis sein Umfeld mit Insiderinformationen versorgt haben soll

Der britische Milliardär Joe Lewis verlässt ein Bundesgericht in Manhattan
Der britische Milliardär Joe Lewis verlässt ein Bundesgericht in Manhattan nach seiner Anklageerhebung.
© Louis Lanzano / Picture Alliance
Der britische Milliardär Joe Lewis wusste in seiner Machtposition stets mehr als andere und ist jetzt wegen Insiderhandel angeklagt. In den Unterlagen des Gerichts erfährt man die Details seiner mutmaßlichen Gefallen gegenüber Liebhaberinnen und Privatpiloten.

Joe Lewis trägt oft eine dunkle Sonnenbrille. Wenn er am Spieltag in Anzug und Krawatte klatschend neben dem Präsidenten seines Fußballklubs Tottenham Hotspur steht, wenn er mit überschlagenen Beinen ein Interview auf seiner 98 Meter langen Jacht gibt, sein Golfturnier in Florida besucht oder aus dem Privatjet steigt. Das öffentliche Interesse an seiner Person hat Lewis nie gemocht, doch nun zeigt sich, dass der Investor etwas zu verbergen hatte. Die Sonnenbrille wirkt jetzt wie ein Versteck des reichen Britens in seiner Parallelwelt vor der Realität.

Lewis trägt seine Sonnenbrille auch, als er am Mittwoch das New Yorker Gericht verlässt. Kameras sind auf ihn gerichtet, sein Name dominiert seit Stunden die Schlagzeilen. Die New Yorker Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, Mitarbeiter, Geschäftspartner, Freunde und Liebschaften mit Insiderinformationen über Unternehmen versorgt und ihnen so Millionen von Dollar eingebracht zu haben.

Ein Milliardär, der Informationen verschenkt?

Staatsanwalt Damian Williams erklärte die wesentlichen Vorwürfe am Dienstag in einem Video. Lewis habe in den vergangenen acht Jahren "unverschämten Insiderhandel" betrieben, indem er seinen Zugang zu Vorstandsetagen von Unternehmen missbraucht und wiederholt Insiderinformationen an seine Liebespartnerinnen, persönlichen Assistenten, Privatpiloten und Freunde weitergegeben habe. "Nichts davon war notwendig – Joe Lewis ist ein wohlhabender Mann", sagte Williams in seiner Erklärung. "Doch wir behaupten, dass er Insiderinformationen nutzte, um seine Mitarbeiter zu entlohnen oder seine Freunde und Liebespartnerinnen mit Geschenken zu überschütten."

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Lewis wurde 1937 über einem Pub im Osten Londons geboren und ging mit 15 Jahren von der Schule ab, um ins Catering-Unternehmen seines Vaters einzusteigen und eine eigene Restaurantkette aufzubauen. Diese verkaufte er und machte sein Vermögen schließlich als Währungsspekulant. Wie der US-Investor George Soros wettete er im Vorfeld des sogenannten Schwarzen Mittwochs im Jahr 1992 gegen das Pfund. 2007 verlor er beim Zusammenbruch der Wall-Street-Bank Bear Stearns zwar etwa ein Drittel seines damaligen Vermögens. Doch über die Zeit konnte er das Vermögen seines Investmentunternehmen, der Tavistock Group mit Sitz auf den Bahamas, zunehmend erweitern.

Über Tavistock ist Lewis an mehr als 200 Unternehmen in 13 Ländern beteiligt: an zahlreichen Hotels, Luxus-Resorts und Restaurants, wie der Kneipenkette Mitchells & Butlers mit 1700 Standorten in Großbritannien, sowie an Unternehmen in den Bereichen Immobilien, Energie, Biotechnologie und Landwirtschaft. Bekannt ist Lewis vor allem als Mehrheitseigner des englischen Fußballklubs Tottenham Hotspur, dessen Wert in diesem Jahr auf 2,8 Milliarden US-Dollar geschätzt wird. Lewis' Vermögen soll laut "Forbes Magazine" allein seit 2020 um fast 2 Milliarden Dollar gewachsen sein auf aktuell über 6 Milliarden Dollar. 

Studienergebnisse im Wert von Millionen Dollar

Als einer der reichsten Briten überhaupt hätte Lewis Insiderhandel nicht nötig gehabt. Was möglicherweise Motivation gewesen sein könnte, lassen die Fälle erahnen, die in den Unterlagen des Gerichts zu lesen sind. So beschreiben sie zum Beispiel eine Situation aus dem Sommer vor vier Jahren. Lewis habe damals mit seiner Freundin im Four Seasons Hotel in Seoul, der südkoreanischen Hauptstadt, logiert. Ein 5-Sterne-Hotel mit goldverzierter Lobby, Marmorfußböden und freistehenden Badewannen. 

Er war zu der Zeit einer der größten Aktionäre beim Biotechunternehmen Solid Biosciences (SLDB) und wusste wohl, dass sich das Unternehmen um Kapital in Höhe von 60 Millionen US-Dollar bemühte. Außerdem erfuhr er laut Staatsanwaltschaft von einer unveröffentlichten klinischen Studie, die SLDB durchgeführt hatte und erst einen Monat später bekannt machen wollte. Zwar unterzeichnete er eine Vertraulichkeitsvereinbarung über die bevorstehende Transaktion, die ihm und engen Mitarbeitern den Handel mit SLDB-Aktien untersagte. Doch als Lewis zu seiner Freundin ins Hotel zurückkehrte, riet er ihr offenbar zum Kauf von SLDB-Aktien. Der New Yorker Staatsanwaltschaft zufolge kaufte sie daraufhin Aktien des Unternehmens im Wert von 700.000 Dollar. Nach offiziellem Bekanntwerden der 60-Millionen-Dollar-Investition und der Studienergebnisse stiegen die Aktienpreise mehrmals um mehr als 30 Prozent an.

Geheime Informationen über Biotechunternehmen wie SLDB erhielt Lewis wohl immer wieder über einen privaten Biotechnologie-Investmentfonds, über den er in börsennotierte Biowissenschaftsunternehmen investierte. Entweder hatte er dank großer Beteiligungen selbst einen Sitz im Board inne oder seine Mitarbeiter versorgten ihn bei einem Besuch auf seiner Jacht mit den wichtigsten Informationen. Auf seiner 250-Millionen-Dollar-Jacht lebt und arbeitet Lewis angeblich die meiste Zeit des Jahres. Es gibt dort einen Indoor-Padel-Tennisplatz und genug Platz für seine exklusive Kunstsammlung, die Werke von Picasso, Matisse, Chagall und Francis Bacon enthalten soll. Seine offiziellen Wohnsitze hat Lewis in Albany im US-Bundesstaat New York und auf den Bahamas. Dorthin wanderte der Brite 1979 als Steuerflüchtling aus.

Die Luxusyacht Aviva des britischen Milliardärs Joseph Lewis im Hamburger Hafen
Die Luxusyacht Aviva des britischen Milliardärs Joseph Lewis im Hamburger Hafen (Archivbild)
© Picture Alliance

Lewis' Ratschläge seien sichere Wetten gewesen

Wenige Monate nach dem ersten SLDB-Deal soll Lewis seiner Freundin laut Staatsanwaltschaft erklärt haben, wie sie die SLDB-Aktien wieder verkauft und dass sie dafür besser Aktien von Mirati Therapeutics kaufen sollte. Mirati ist ein auf Krebstherapie spezialisiertes Unternehmen und auch hier erhielt Lewis über seinen Sitz im Board regelmäßig vertrauliche Informationen. Dazu zählten klinische Studien und das Timing von Ankündigungen oder Datenpräsentationen des Unternehmens. So soll er früh erfahren haben, dass eines der getesteten Medikamente konkurrenzfähig sein und den Aktienkurs steigern würde. "Zeit ist essenziell" soll Lewis' Freundin ihrem Börsenmakler laut Staatsanwaltschaft gesagt haben, als es um die Transaktionen mit SLDB und Mirati ging.

Mirati war den Vorwürfen zufolge auch im Privatflugzeug auf dem Weg von San Diego auf die Bahamas Gesprächsthema. Lewis soll dort seinen beiden Piloten zum Kauf von Mirati-Aktien geraten haben. Einer von ihnen schrieb in einem Whatsapp-Chat mit einem Freund, er habe "mit Mr. Lewis gesprochen", "wir werden in den nächsten sechs Wochen viel mehr mit Mirati machen". So wird es in der schriftlichen Anklage zitiert. Lewis stellte zwei seiner Piloten sogar kurzfristige Darlehen in Höhe von einer halben Millionen Dollar zur Verfügung, damit sie rechtzeitig zusätzliche Mirati-Aktien kaufen konnten. Nach Öffentlichwerden der Studienergebnisse stieg der Kurs der Aktie um knapp 16 Prozent. Alle, die Lewis Ratschlägen gefolgt waren, verkauften ihre Anteile mit Profit.

Übersicht der Aktien-Transaktionen von Personen aus Lewis' Umfeld aus den US Gerichtsdokumenten
Übersicht der Aktien-Transaktionen von Personen aus Lewis' Umfeld aus den US Gerichtsdokumenten.

© Screenshot Capital / US District Court SDNY

In einem anderen Fall brachte Lewis seinen Mitarbeitern keine Gewinne ein, sondern versuchte sie vor Verlusten zu bewahren. 2019 soll er seinen Piloten von den drohenden Verlusten der Australian Agriculture Company erzählt haben, als große Landwirtschaftsflächen in Queensland überschwemmt wurden. Laut Anklage konnten die Piloten ihre Anteile nicht mehr rechtzeitig verkaufen, doch einer von ihnen soll seinem Börsenmakler in einer E-Mail geschrieben haben: "Ich wünschte nur, der Chef hätte uns etwas früher Bescheid gegeben." Wie aus weiteren Chatverläufen hervorgeht, ahnten die Personen in Lewis' Umfeld, dass sie beim Befolgen seiner Ratschläge kein Risiko eingehen würden. 

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Lewis' Anwalt bezeichnet Anschuldigungen als "Urteilsfehler"

Laut schriftlicher Anklage hat Lewis neben dem Insiderhandel noch auf andere Weise betrogen. Über Scheinfirmen und Decknamen soll er mehr als zwanzig Prozent der Aktien des Krebsunternehmens Mirati angehäuft haben, entgegen der Vereinbarungen mit dem Unternehmen. Diese Scheinfirmen soll er zudem absichtlich aus den Meldungen an die US-Börsenaufsicht SEC ausgelassen und seinen Anteil gegenüber der Bank falsch angegeben haben. Lewis ist deshalb nicht nur wegen Wertpapierbetrugs und Verschwörung zum Wertpapierbetrug angeklagt, sondern auch wegen Falschaussagen gegenüber der SEC.

David Zornow, einer seiner Anwälte, bezeichnete die Anschuldigungen gegen Lewis in einer Erklärung als falsch. Er sei freiwillig in die USA gekommen, "um sich diesen schlecht durchdachten Anschuldigungen zu stellen". Die "Financial Times" zitiert: "Die Regierung hat einen enormen Urteilsfehler begangen, als sie Herrn Lewis, einen 86-jährigen Mann von tadelloser Integrität und außerordentlicher Leistung, anklagte."

Dieser Text erschien zunächst bei Capital.de.

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