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Insolvente Drogeriekette Schleckers Misere im Detail

Seit Jahren kämpft Schlecker gegen sinkende Umsätze an - vergeblich. Das Familienunternehmen ist pleite. Lesen Sie, warum der einstige Erfolgsdrogerist gescheitert ist, und wie es weitergehen soll.
Von Gregor Kessler und Kathinka Burkhardt

Deutschlands größte Drogeriekette Schlecker ist zahlungsunfähig und geht in die Planinsolvenz. Grund sei eine geplatzte Zwischenfinanzierung, teilte das Unternehmen am Freitag mit, ohne konkreter zu werden. Der Familienbetrieb hat damit seinen langjährigen Kampf gegen sinkende Umsätze verloren. Warum? Und wie geht es nun weiter?

Was ist schief gegangen?

Wer sich nicht wandelt, wird abgehängt, lautetet ein alter Marketingspruch: Schlecker hat sich nicht gewandelt. Die große Zeit des Drogisten waren die 70er- und 80er-Jahre - als Tante-Emma-Läden von den großen Supermärkten am Stadtrand verdrängt wurden und Schlecker mit seiner rasant wachsenden Zahl an Läden die Rolle des Nahversorgers übernahm. Danach hat sich bei der Drogeriekette kaum mehr etwas geändert - bei den Wettbewerbern dagegen viel.

Seit den 1990er-Jahren haben auch Discounter, Supermärkte und Großdrogerien ein Filialnetz aufgebaut, das bis in die Stadtteile reicht. Ihre Läden sind hübscher, die Preise oft niedriger. Dazu wird kein Lieferant und kein Kunde gerne in Verbindung mit einem Händler gebracht, der seine Angestellten schlecht behandelt: In den letzten Jahren machte Schlecker vor allem wegen der Bespitzelung und Einschüchterung von Mitarbeitern Schlagzeilen.

Geht es dem gesamten Markt für Drogerieketten schlecht?

Die Probleme von Schlecker sind hausgemacht: Der Markt für Drogisten wächst seit Jahren kontinuierlich, Konkurrenten wie Rossmann und dm legen konstant gute Ergebnisse vor. Sie sind es auch, die von Schleckers Imageverlust bei Kunden und Lieferanten profitiert haben: Nachdem das Unternehmen in den 1990er-Jahren zum Marktführer wurde, hat Rossmann Schlecker in den vergangenen Jahren deutlich abgehängt und auch der Dritte im Markt, dm, wächst beständig.

Wer hat Schlecker heruntergewirtschaftet?

Schlecker ist ein in zweiter Generation geführtes Familienunternehmen: 1975 eröffnet der gelernte Metzger Anton Schlecker im baden-württembergischen Kirchheim unter Teck seinen ersten Drogeriemarkt - erfolgreich. Nur zwei Jahre später gibt es bereits rund 100 weitere Filialen in Süddeutschland. Bis 1994 steigt Schlecker zum Marktführer bei Drogerien in Deutschland auf und expandiert auch im Ausland: Österreich, die Niederlande, Spanien. 1991 folgt Frankreich und 1999 Italien. Bis 2007 wächst das Unternehmen auf 14.000 Läden weltweit an.

Doch der heute 67-jährige Firmenpatriarch, der auf ein Vermögen von 3 Milliarden Euro geschätzt wird, verpasst den Wandel - und kann nicht loslassen. Erst als es schon zu spät ist, nachdem der Umsatz eingebrochen ist und nach und nach bereits Tausende Läden geschlossen werden müssen, öffnet sich das von ihm autokratisch geführte Unternehmen; Eigenverantwortung der Mitarbeiter, Kreativität und ein offener Diskurs sollen möglich werden. Dafür verantwortlich sind in erster Linie seine Kinder Lars und Meike Schlecker, die wie die Mutter der Geschäftsführung angehören. Mitte 2011 versuchen sie mit einer Medienoffensive das angeschlagene Image des Unternehmens aufzupolieren. 230 Millionen Euro wollen sie in die Modernisierung der Filialen stecken, 2012 wieder Gewinne vorlegen.

Der Schritt kommt zu spät: Die Kunden kehren nicht schnell genug zu Schlecker zurück. Selbst der neue Claim "For you Vor Ort", der eigentlich für ein neues weltoffenes Image sorgen soll, zieht einen Shitstorm im Internet auf sich, nachdem ein Unternehmenssprecher das Denglisch mit der nicht besonders gebildeten Zielgruppe der Schleckerkunden begründete. Unterdessen schrumpft der Umsatz unaufhaltsam - die Insolvenz wird unumgänglich.

Wie geht es weiter?

Schlecker soll in einer Planinsolvenz saniert werden, die meisten der rund 30.000 Arbeitsplätze und 7300 deutschen Filialen erhalten werden. Der Kern eines solchen Verfahrens sieht einen Sanierungsplan mit umfassendem Businessplan vor, dem die Gläubiger mehrheitlich zustimmen müssen. Im Gegensatz zur Regelinsolvenz würde Schlecker demnach nicht abgewickelt, um Lieferanten und Banken auszahlen zu können, sondern das Unternehmen würde gesund geschrumpft und neu organisiert werden.

Dieser Weg birgt ein Risiko: Die Gesellschafter, in diesem Fall die Schlecker-Familie, können nicht zu Zugeständnissen gezwungen werden, da die Rechtsform des Unternehmens in der Planinsolvenz bestehen bleibt. Fordert eine Bank etwa eine Kapitalerhöhung, kann die Familie ihr Veto einlegen - und müsste im Notfall entmachtet werden, um neue Verluste für Banken und andere Gläubiger zu vermeiden. Erfolgreiches Beispiel: Vor zwei Jahren sah es so aus, als stünde der Klavierbauer Schimmel vor dem Aus. Nach einer Planinsolvenz legt er aber nun wieder Umsatzzuwächse vor.

FTD

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