Die Ratingagenturen sind wegen der Herabstufung der Bonitätsbewertungen für Portugal und Spanien erneut unter Beschuss geraten. Wurde ihnen in der Bankenkrise vorgeworfen, komplexe Kreditprodukte zu lange zu gut bewertet zu haben, lautet die Kritik an Standard & Poor's jetzt, sie hätten aus Panik in der Griechenland-Krise den Daumen über die beiden defizitären Euro-Länder voreilig gesenkt.
Die führenden US-Ratingagenturen Standard & Poor's, Moody's und Fitch unterliegen derzeit keinerlei Aufsicht. Mit ihren Einstufungen der Kreditwürdigkeit privater oder staatlicher Emittenten geben sie den Anlegern eine Orientierung, welches Ausfallrisiko mit einem Wertpapier verbunden ist. Als erste Region weltweit wird die Europäische Union die Agenturen ab Ende 2010 einer Kontrolle unterwerfen. Doch können die Aufseher damit nicht in die Bewertung selbst eingreifen oder die Rechtfertigung einer einzelnen Entscheidung verlangen.
Ziel der vor rund einem Jahr verabschiedeten Verordnung ist es, Entscheidungsgrundlagen der Agenturen offenzulegen und die Qualität der Bewertungen von Kreditprodukten zu verbessern. Auch soll Interessenkonflikten ein Riegel vorgeschoben werden. Diese kann es etwa geben, wenn die Agenturen selbst als Ratgeber am Entstehen von Produkten beteiligt sind, die sie später bewerten.
Die Agenturen müssen sich künftig beim Ausschuss der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden (CESR) registrieren lassen, aus dem später eine europäische Aufsichtsbehörde ESMA werden soll. Aufsichtskollegien mit Vertretern aller EU-Länder, in denen die Agenturen präsent sind, überprüfen, ob die Kreditwächter alle Vorschriften einhalten:
- Ratingagenturen dürfen keine Beratungsdienste erbringen.
- Sie dürfen Finanzinstrumente nur dann bewerten, wenn sie hierfür über genügend fundierte Informationen verfügen.
- Sie müssen die Modelle, Methoden und grundlegenden Annahmen, auf die sie ihre Ratings stützen, veröffentlichen.
- Sie müssen die Ratings von komplexeren Produkten mit einer speziellen Kennzeichnung versehen.
- Sie müssen alljährlich einen Transparenzbericht veröffentlichen.
- Sie müssen eine interne Kontrollstelle einrichten, die über die Qualität ihrer Ratings wacht.
In Deutschland machte der Bundesrat Anfang März den Weg frei für eine Beaufsichtigung der Rating-Agenturen. Deutschland setzte damit die entsprechende EU-Richtlinie in nationales Recht um. Das deutsche Gesetz sieht unter anderem vor, dass die Agenturen zur Vermeidung von Interessenkonflikten nicht mehr die Bonität von Unternehmen bewerten dürfen, die sie auch beraten. Bei Verstößen droht ihnen ein Bußgeld bis zu einer Million Euro. Zudem sollen die Ratingagenturen künftig einmal jährlich von einem Wirtschaftsprüfer unter die Lupe genommen werden. Die Aufsichtsbehörde BaFin kann zudem ohne Anlass Sonderprüfungen anordnen.