Russland Der Kreml greift nach Ölreserven

Der weltweit zweitgrößte Ölproduzent Russland krempelt den Energiesektor um. Während das Gas stets eine Staatsangelegenheit blieb, will der Kreml auch die Ölförderung wieder unter Kontrolle bringen.

Russlands Wirtschaftsanalysten waren sich nach dem Rekordgeschäft im Energiesektor weitgehend einig: Ökonomisch mache die Übernahme des Ölkonzerns Sibneft für den staatlich kontrollierten Gasriesen Gasprom derzeit wenig Sinn. "Wo bleibt da der Profit?", fragten Spezialisten der Investmentfirma Renaissance Capital. Der Wirtschaftsberater von Präsident Wladimir Putin, Andrej Illarionow, sieht hinter der Übernahme von Sibneft für umgerechnet knapp elf Milliarden Euro keineswegs ein privates Kreditgeschäft. Dieser Kauf hätte eigentlich von der russischen Regierung abgesegnet werden müssen, betont Illarionow. Entscheidend war aber letztlich die Zustimmung des Gasprom-Aufsichtsrates, der vom Chef der Kremladministration, Dmitri Medwedew, geleitet wird.

Gasprom will zum weltweit größten Energiekonzern aufsteigen. Wenn es beim Gasgiganten läuft, reiben sich auch deutsche Vorstände die Hände. E.ON ist über seine Tochter Ruhrgas als größter ausländischer Aktionär mit etwa 6,5 Prozent an Gasprom beteiligt. Die BASF-Tochter Wintershall will als erstes ausländisches Unternehmen gemeinsam mit Gasprom in Russland Gas fördern.

Übernahme bringt kaum strategische Vorteile

Analysten rätseln, weshalb der an der Börse knapp 125 Milliarden Dollar teure Gasprom-Konzern mit aller Macht eine höhere Marktkapitalisierung erreichen wollte. Der viertgrößte russische Ölkonzern Sibneft brachte es zuletzt auf 17,3 Milliarden Dollar. Nach Ansicht von Analysten hätte Gasprom seinen eigenen Marktwert deutlich günstiger steigern können, indem man den Inlands-Gasmarkt auf Vordermann bringt. "Diese Übernahme bringt aus wirtschaftlicher Sicht wenig. Wir können auch keine strategischen Vorteile sehen", lautet das Fazit bei Renaissance Capital. Für die internationalen Ölmärkte erwarten russische Experten keine positiven Signale aus dem Sibneft-Verkauf.

"Altbekannte Nachteile durch Staatseigentum und Ineffizienz", bringt das Brokerhaus Aton Capital in Erinnerung. Eine Steigerung der Förderquote ist in Zukunft ebenso wenig zu erwarten wie beim Hauptbetrieb des zerschlagenen Yukos-Konzerns, der an das Staatsunternehmen Rosneft gelangte. Auch bei Rosneft hält ein Putin-Mann die Fäden in der Hand: Igor Setschin, stellvertretender Leiter der Kremladministration, ist Chef des Aufsichtsrates.

Russische Medien notierten Unterschiede im Umgang der Staatsmacht mit ihr genehmen und weniger wohl gelittenen Milliardären. Während der Kreml-Kritiker und frühere Yukos-Vorstandschef Michail Chodorkowski wegen Betrugs und Steuerhinterziehung für acht Jahre ins Straflager muss, landete sein nicht minder umstrittener Kollege Roman Abramowitsch durch den Sibneft-Verkauf ein Milliarden-Geschäft. "Dieser Deal könnte auch den anderen noch im Land verbliebenen Oligarchen als Vorbild dienen. Als ein Beispiel dafür, wie man im Guten abtreten kann", schreibt die Tageszeitung "Iswestija".

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Stefan Voß/DPA