Siemens-Chef Kleinfeld Vom Wunderkind zum Prügelknaben

Siemens-Chef Kleinfeld wird das Unternehmen verlassen - offenbar, weil mächtige Aufsichtsräte wie Josef Ackermann es so wollten. An Kleinfeld klebten zuletzt viele Skandale: der BenQ-Verkauf, die Gehaltserhöhungen für den Vorstand und die Schmiergeld-Affäre.

Klaus Kleinfeld wird als erster Siemens-Vorstandsvorsitzender in die Geschichte eingehen, der sein Amt vor Erreichen des Pensionsalters abgeben musste. Auch seine Amtszeit von nur zwei Jahren und drei Monaten ist die kürzeste in der 160-jährigen Firmenhistorie, in der es bislang nur zehn Wechsel auf dem Chefsessel gegeben hat. Kleinfeld hatte bis zuletzt um sein Überleben als Konzernchef gekämpft. Noch am Wochenende sahen Beobachter den 49-Jährigen nach der Rückzugsankündigung von Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer noch als Gewinner der Siemens-Krise. Ohne den Übervater und früheren Vorstandschef könne Kleinfeld ungestörter seine Umbaupläne für das unter dem Druck der Globalisierung stehende Unternehmen verwirklichen, streuten Kleinfeld-Getreue.

Doch kurz vor der entscheidenden Aufsichtsratssitzung am Mittwoch sickerte durch, mächtige Aufsichtsratsmitglieder wie Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann wollten nach Pierers Rücktritt einen kompletten Neuanfang und Kleinfelds Vertrag nicht verlängern.

Klaus Kleinfeld

Klaus Kleinfeld kommt aus Bremen, sein Vater, ein Facharbeiter, starb, als der Sohn zehn Jahre alt war. Schon zwei Jahre später half Kleinfeld mit, die Haushaltskasse aufzubessern und räumte Regale im Supermarkt ein.

Ein Schlüsselerlebnis haben habe ihn schließlich dazu motiviert, eine Managerlaufbahn einzuschlagen, verriet Kleinfeld jüngst. Im Bremer Arbeiterviertel Woltmershausen wuchs das Einzelkind gegenüber der damals riesigen A.G Weser Werft auf. Der hämmernde Lärm der Werft sei in dem Viertel als Ausdruck gesunden Wohlstands empfunden worden. "Doch von einem Tag auf den anderen herrschte plötzlich gespenstische Stille", erinnerte er sich zurück. Dass ein so großes Traditionsunternehmen wie die A.G. Weser in die Krise geraten und Pleite gehen könne, habe er damals nicht verstehen können. "Als ich später Betriebswirtschaft studiert habe, war das eine treibende Kraft." Damals habe er beobachtet, wie die kleinen Werften die Krise leichter überleben konnten, sagte Kleinfeld. "Die großen schwerfälligen Unternehmen waren zum Tode verurteilt."

Noch bevor Kleinfeld zum Siemens-Chef aufstieg, erwarb er sich große Meriten. Kleinfeld gründete die konzerninterne Unternehmensberatung, sanierte das verlustreiche US-Geschäft und machte die die Medizinsparte zu einem hochprofitablen Gewinnbringer. Doch das alles hat nicht gereicht - Kleinfeld wird nun ein neues Kapitel seiner Berufsbiografie aufschlagen müssen.

Gute Zahlen, böse Affären

Kleinfeld konterte mit der vorzeitigen Veröffentlichung der Halbjahresbilanz, die für das zweite Quartal einen kräftigen Gewinnanstieg um 36 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro ausweist. Für den Konzernchef war dies nach der guten Jahresbilanz 2006 ein weiterer Beleg dafür sein, dass sein Kurs mit ehrgeizigen Renditevorgaben für die Konzernsparten aufgegangen sei. Doch es waren nicht die Zahlen, die Kleinfeld zum Verhängnis wurden: Vielmehr überschatten zahlreiche Affären seit Monaten sämtliche positiven Nachrichten des Konzerns.

Zwar gab es bis zuletzt keinen Hinweis, dass Kleinfeld in die Affären um schwarze Kassen und internationale Schmiergeldzahlungen verwickelt gewesen wäre. Doch Beobachter mutmaßen, der Aufsichtsrat fürchtete ohne scharfe personelle Konsequenzen Ermittlungen der scharfen US-Börsenaufsicht SEC im Gesamtkonzern.

Umstrittene Gehaltserhöhungen

Vor allem aber war Kleinfeld, der bei seinem Amtsantritt vom "Manager Magazin" als "Wunderknabe" gefeiert wurde, längst aus anderen Gründen zu einem Prügelknaben herabgesunken. Begonnen hat seiner Negativserie mit massiver Kritik an der Erhöhung der Vorstandsbezüge um 30 Prozent: "Frechste Gehaltserhöhung des Jahres" titelte die "Bild"-Zeitung und nannte Kleinfeld einen "Raffke-Boss".

Schlimmer für einen von den Leistungen seiner Ingenieure lebenden Konzern war jedoch, dass Kleinfeld dramatisch an Vertrauen bei der 475.000 Menschen zählenden Belegschaft verloren hatte. Während sich sein Vorgänger Pierer teilweise ähnlich wie ein Patriarch eines Familienbetriebs verhielt, sorgte Kleinfeld direkt nach seinem Amtsantritt mit dem Verkauf der verlustreichen Siemens-Handy-Sparte an den taiwanischen BenQ-Konzern für einen Kulturschock. Als BenQ schließlich in der Pleite endete, wich die Jahrzehnte lang gerühmte "Vertrauenskultur" bei Siemens endgültig der Verunsicherung, da immer weitere Bereiche Ausgliederungen fürchten mussten.

Unruhe bei Siemensianern

In diese Stimmung platzte die Affäre um schwarze Kassen mit einer Großrazzia in der Konzernzentrale und der Festnahme eines halben Dutzend Managern. Die einst stolzen "Siemensianer" mussten miterleben, wie der Firmenname in der Öffentlichkeit mit Schmiergeldzahlungen gleichgesetzt wurde und die Staatsanwalt Ermittlungen gegen mehrere frühere Spitzenmanager einleitete. Die vorübergehende Verhaftung des Siemens-Konzernvorstands und Europa-Chefs Johannes Feldmayer wegen verdeckter Zahlungen an den Chef der Alternativ-Gewerkschaft AUB ramponierte das Konzern-Image zuletzt noch weiter.

Kleinfeld setzte Sonderermittler ein, versprach eine "Null-Toleranz" gegenüber unsauberen Geschäften. Die Menschen sollten einmal sagen können, die Art und Weise, wie Siemens seine Probleme gelöst habe, sei "ein Vorbild und Maßstab, wie man es machen sollte". Doch die Aufklärung werden nun andere übernehmen.

AP
Michael Pohl/AP

Mehr zum Thema