Bei einer neuen Durchsuchungsaktion in München nahmen Beamte den 50-jährigen Zenetralvorstand Feldmayer fest. Der Topmanager ist bei Siemens unter anderem Europachef und im Vorstand für die Informationstechnologiesparte zuständig. Die Verhaftung ist ein neuer Tiefpunkt in der Affäre um schwarze Kassen und Schmiergeldzahlungen bei Siemens. Feldmayer hatte einst zu den möglichen Nachfolgern von Ex-Vorstandschef Heinrich von Pierer gezählt. Zuletzt war er auch als möglicher Ersatz für Konzernchef Klaus Kleinfeld gehandelt worden, sollte dieser über den Skandal stürzen.
Ermittler durchsuchten am Dienstag in Nürnberg, Erlangen und München mehrere Siemens-Standorte und Wohnungen. Die Staatsanwaltschaft in Nürnberg verdächtigt Feldmayer und weitere Siemens-Mitarbeiter der Untreue. Feldmayer bestreitet dies. "Die Vorwürfe sind unbegründet", sagte sein Anwalt Martin Reymann-Brauer der Nachrichtenagentur Reuters.
Streit mit Gewerkschaften
Angesichts der Skandalserie bei Siemens hat die IG Metall eine Atempause beim Konzernumbau gefordert. Der Konzern brauche Ruhe, sagte Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer in München. Vorstandschef Klaus Kleinfeld sei daher nicht gut beraten, wenn er trotz aller Turbulenzen die Ausgliederung des Autozulieferers VDO gegen den Widerstand der Beschäftigten vorantreibe. "Da ist eine weitere, explosive Konfliktlinie."
Der Konzern will aber, dass die Affären das operative Geschäft nicht beeinflussen. VDO soll am 1. Mai im Zuge des geplanten Börsengangs in eine eigenständige Gesellschaft ausgegliedert werden - trotz gescheiterter Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat. "Siemens will die VDO-Geschichte wohl gnadenlos durchziehen", sagte Neugebauer. Er habe nach Gesprächen mit der Führung eigentlich auf eine moderatere Linie gehofft. "Aber bei Siemens sind wohl zu viele Schweinstreiber unterwegs."
DPA
Hintergrund der Festnahme ist die Affäre um die Arbeitnehmerorganisation "Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger" (AUB), wie ein Siemens-Sprecher sagte. Der Konzern soll an den Ex-Siemens-Betriebsrat und langjährigen AUB-Chef Wilhelm Schelsky zwischen 2001 und 2005 über 14 Mio. Euro gezahlt haben, ohne dass es dafür nennenswerte Gegenleistungen gab. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" wird in dem Fall auch gegen den ehemaligen Aufsichtsratschef Karl-Hermann Baumann ermittelt.
Beratervertrag unterschrieben
Feldmayer - damals noch Bereichsvorstand Automatisierungs- und Antriebstechnik - hatte 2001 einen Beratervertrag mit Schelsky unterschrieben. Dabei ging es um die Beratung und Schulung von Mitarbeitern sowie Betriebsräten. Das Geld soll über Firmen des selbstständigen Beraters aus Franken geflossen sein - bis Siemens die Vereinbarung Ende 2006 fristlos kündigte. "Wir sind weiter an einer umfassenden Aufklärung interessiert", sagte der Siemens-Sprecher. Der Konzern kooperiere voll mit der Staatsanwaltschaft.
Der 58-jährige Schelsky sitzt seit Mitte Februar in Haft. Die Justiz wirft ihm Steuerhinterziehung vor - was er bestreitet. Feldmayer war wegen des zweifelhaften Vertrags mit Schelsky schon zuvor von den Behörden vernommen worden.
AUB als nützliche Idioten?
Hinter den Ermittlungen in der AUB-Affäre steht der Verdacht, dass Siemens die als arbeitgeberfreundlich geltende Arbeitnehmervertretung über Jahre verdeckt mitfinanziert haben könnte. Die Organisation hatte immer wieder umstrittene Pläne der Siemens-Spitze unterstützt.
Bei Siemens ist die AUB im Aufsichtsrat vertreten und stellt in einer Konzernsparte auch den Betriebsratschef. Die in den 70er-Jahren als Konkurrenz zu den großen Gewerkschaften entstandene Organisation hat bundesweit etwa 30.000 Mitglieder. Schelsky sei von seinem Amt als Vorsitzender zurückgetreten, teilte die AUB am Dienstag mit. Er hatte seinen Posten zuvor ruhen lassen. Die AUB wolle sich nun "neu ausrichten".
Korruption allenthalben
Die AUB-Affäre ist nur ein Teil der schweren Krise bei Siemens. Parallel zu den Ermittlungen in Nürnberg untersuchen die Behörden in München die Schmiergeldaffäre bei der Siemens-Kommunikationssparte Com. Mindestens 200 Millionen Euro sollen dort in schwarze Kassen geflossen sein, um Auftraggeber im Ausland über Jahre zu bestechen.
Zudem wird in Darmstadt derzeit ein Korruptionsfall in der Siemens-Kraftwerksparte verhandelt. Zwei Managern wird vorgeworfen, zwischen 1999 und 2002 Verantwortliche des italienischen Energiekonzerns Enel bestochen zu haben, um einen Auftrag zu erhalten. Der Vorsitzende Richter entschied am Dienstag, dass der Siemens-Zentralvorstand Uriel Sharef im Prozess als Zeuge aussagen soll.