Standortschließung Nokia sagt Deutschland ade

Die Ankündigung des weltgrößten Handyherstellers Nokia, mit Bochum den einzigen Standort im Land zu schließen, stößt bei Politik und Arbeitnehmervertretern auf Kritik. Sie wollen im Interesse der betroffenen 2300 Mitarbeiter zügig Gespräche mit dem Konzern aufnehmen.

Der Handyhersteller Nokia stellt aus Kostengründen die Handyproduktion in Deutschland ein. Betroffen sind 2300 Beschäftigte am Standort Bochum, in dem bisher das Gros der Nokia- Handys für den deutschen Markt produziert wird. Das Werk soll bis Mitte des Jahres geschlossen und die Fertigung in billiger arbeitende Standorte in Rumänien und Ungarn verlagert werden.

Zügige Abwicklung geplant

Noch in diesem Quartal soll nach Angaben der Nokia-Sprecherin Arja Suominen die Produktion in einem neuen Werk im rumänischen Cluj aufgenommen werden. Ein weiterer Teil der bisherigen Massenfertigung in Bochum soll auf das Werk Komàrom in Ungarn verlagert werden. Für Spitzenprodukte mit Bedarf an hoch qualifizierter Arbeitskraft ist die Verlagerung in das finnische Nokia-Werk in Salo geplant.

Deutschland ist einfach zu teuer

Deutschland ist ein sehr teures Land für unsere Produktion", sagte die Sprecherin. Nokia habe in der Vergangenheit sehr viel investiert, um Bochum wettbewerbsfähig zu machen. Das habe "aber eben nicht gereicht." Alle an der Produktion dranhängenden Kosten seien in Deutschland deutlich höher, auch höher als in Finnland, so Suominen.

Ähnlich äußerte sich auch Veli Sundbäck, Vorsitzender des Aufsichtsrates von Nokia Deutschland am Dienstag in Düsseldorf vor der Presse. Die Arbeitskosten seien fast zehnmal höher als in Rumänien. Zudem sei es wegen der hohen Fertigungskosten nicht gelungen, Zulieferer in der Nähe des Standorts anzusiedeln, erläuterte Sundbäck. Er sprach von einer sehr harten Entscheidung für die betroffenen 2300 Beschäftigten in Bochum.

Hoffnung für eine Minderheit

Etwa 280 Nokia-Mitarbeiter könnten mit dem geplanten Verkauf zweier Betriebseinheiten ihre Arbeitsplätze in einem neuen Unternehmen möglicherweise behalten, hieß es aus der Zentrale in Helsinki. Bei den Einheiten handele es sich um das "Line Fit Automotive Business" (ab Werk integrierte Lösungen für die Fahrzeugindustrie) sowie die Forschungs- und Entwicklungsabteilung "Adaptation Software". Bedroht sind mit der Verlagerung auch 1000 Stellen bei Zulieferern.

Nokia erhielt reichlich Fördergelder

Das Land Nordrhein-Westfalen will die Rückforderung von Fördermitteln prüfen. Zwischen 1995 und 1999 habe Nokia rund 60 Millionen Euro an Fördermitteln vom Land kassiert, sagte Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) am Dienstag in Düsseldorf. Möglicherweise sei eine Rückforderung der Gelder aber nicht mehr möglich, da zumindest teilweise die Fristen dafür just abgelaufen seien. Vom Bund flossen nach Angaben der CDU-Politikerin von 1998 bis 2007 weitere 28 Millionen Euro an Forschungsgeldern in die Kassen des Konzerns.

Für den Aufbau des neuen Standortes in Rumänien würden wohl wieder öffentliche Mittel, diesmal von der EU eingesetzt werden, so die Wirtschaftsministerin weiter." Auch hier stellen sich Fragen. Dabei erwarten wir auch die Unterstützung durch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos", sagte Thoben laut Mitteilung.

Politik und Arbeitnehmervertreter setzen auf baldige Gespräche

Für Freitag kündigte die Politikerin Gespräche zwischen dem Unternehmen, der Gewerkschaft sowie der Stadt Bochum und der Landespolitik an. Sollte Nokia bei seinen Plänen zur Produktionsverlagerung bleiben, müssten angemessene Sozialpläne für die Beschäftigten und die Gründung einer Transfergesellschaft beschlossen werden. Auch eine finanzielle Hilfe des Landes werde geprüft.

Der Betriebsrat des Bochumer Nokia-Werks und die IG Metall hoffen auf Hilfe der Politiker. "Wir setzen unsere ganze Hoffnung darauf, dass die Politiker uns unterstützen", sagten die Bochumer Betriebsratsvorsitzende Gisela Achenbach und die IG Metall- Bevollmächtigte Ulrike Kleinebrahm am Dienstagmittag in einer Stellungnahme vor dem Werk. Sie sehe die Ankündigung des Managements aber skeptisch, nach einer "einvernehmlichen Lösung" mit den Arbeitnehmervertretern zu suchen. Auch im letzten Jahr hätten die Angestellten Rekordstückzahlen produziert und sich bei den Arbeitszeiten bereits extrem flexibel gezeigt.

Nokia ist ein Gigant im Markt

Nokia ist der weltgrößte Hersteller von Mobiltelefonen. Knapp 40 Prozent aller Handys entstehen auf den Fließbändern des ehemaligen Gummistiefel-Produzenten. Der Konzern mit Sitz in der südfinnischen Stadt Espoo beschäftigt nach eigenen Angaben mehr als 112.000 Mitarbeiter weltweit, davon etwa 60.000 in Europa. Zuletzt vermeldete Nokia im dritten Quartal 2007 ein Rekordergebnis. Der Umsatz kletterte auf 12,9 Milliarden Euro, ein Plus von 28 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Reingewinn betrug 1,56 Milliarden Euro, rund drei Viertel entfielen auf das Geschäft mit Handys.

Bochum nicht das erste Mal im Schussfeld

Das Bochumer Werk, größter industrieller Arbeitgeber der Stadt hinter Opel, stand bereits 2001 vor dem Aus. Damals wurden letztlich 341 der 3000 Stellen gestrichen. Im vergangenen Jahr hatte zudem das gerade gestartete Gemeinschaftsunternehmen Nokia Siemens Networks in Deutschland die Streichung von 2800 bis 2900 Stellen angekündigt.

An der Börse legte Nokia bis 15.00 Uhr gegen den allgemeinen Trend um 1,2 Prozentpunkte zu.

DPA · Reuters
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