Der Modellbahnbauer Märklin kämpfte mit sinkenden Umsätzen, dem Preisdruck und steigenden Schulden. Der Verkauf an den britischen Finanzinvestor Kingsbridge soll nun die Zukunft der Traditionshauses sichern, denn das Unternehmen muss fit für die Globalisierung gemacht werden. Dabei könnte durchaus eine verstärkte Fertigung in Fernost in Frage kommen.
Einen Hoffnungsschimmer gibt es schon: Die Neuheiten des Jahres 2006 haben bei den Modellbahnern hohe Zustimmung hervorgerufen. Waren es in den letzten Jahren oft exotische Modelle, die zu hohen Preisen wenig Identifikationsmöglichkeiten boten, so gab es einige Reihen, deren erste Auflage schon bei ihrer Präsentation auf der Spielwarenmesse im Februar komplett vorbestellt wurde. Die Bestellungen haben nach Angaben von Firmensprecher Roland Gaugele gegenüber 2005 um 30 Prozent zugenommen.
Märklin-Geschäftsführer Paul Adams sagte am Freitag in Göppingen, mit dem Verkauf an den Finanzinvestor gehe die unsichere Phase der letzten Wochen zu Ende. "Das ist ein historischer Tag für Märklin." Am Donnerstagabend hatten die 22 Altgesellschafter ihre Anteile an Kingsbridge verkauft. Damit willigten auch die drei letzten, der 22 Gesellschafter, in den Verkauf ein , der nur einstimmig erfolgen kann. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart.
Die Verkaufsverhandlungen dauerten über ein Jahr. Märklin kämpft seit einigen Jahren mit sinkenden Umsätzen und hatte deshalb ein umfangreiches Sanierungsprogramm aufgelegt. Adams sagte, es gebe keine weiteren Planungen für einen Stellenabbau. Im Inland sind 1002 Mitarbeiter beschäftigt, im Ausland 344. Das Stammwerk ist in Göppingen bei Stuttgart.
Eigentlich ist die Hereinnahme finanzkräftiger Dritter für Märklin nichts besonderes. Die Eigentümerstruktur ist deshalb so verästelt, weil die Familie Märklin vor gut 100 Jahren Kapitalspritzen der Familien Friz und Safft erhielt. Nun zwingt ein tiefer Markteinbruch der Branche erneut dazu. Im vergangenen Sommer führte diese Marktschwäche zur Insolvenz des nach Märklin zweitgrößten Anbieters Roco aus Österreich.
Jüngere Leute als Kunden im Visier
Mit dem Verkauf ging eine monatelange Hängepartie zu Ende. Mathias Hink von Kingsbridge Capital sagte: "Märklin ist eine der besten Marken der Welt, mit hohen Qualitätsstandards und einer loyalen Kundschaft." Der neue Eigentümer fühle sich der Traditionsmarke Märklin verpflichtet und werde alles daran setzen, das Management in der Wahrnehmung der Wachstumschancen des Unternehmens tatkräftig zu unterstützen. Daneben soll der Vertrieb in anderen EU-Ländern ausgebaut werden. Hink sagte, Märklin müsse "wieder an jüngere Leute herangeführt werden".
Eine der interessantesten Fragen ist die nach der Zukunft des obersten Mitarbeiters, Märklin-Geschäftsführer Paul Adams. Er hat bereits vor zwei Jahren die Belegschaft um gut 400 Stellen verringert. Er ist verantwortlich für den Umschwung bei den Neuheiten; er hat eine preisgünstige Linie mit Lokomotiven unter 100 Euro - die teuersten Exemplare kosten das Zehnfache - eingeführt. Es ist durchaus denkbar, dass er im Amt bleiben kann.
Es müssen nicht immer Modellbahnen sein
"Wir müssen uns mit den Kosten in den Werken beschäftigten", sagte Adams und nannte die Produktionsstätten im thüringischen Sonneberg und in Nürnberg. "Der Ansatz heißt Kosten und nicht Personal." Der Umsatz betrug im vergangenen Jahr 123 Millionen Euro, berichtete Adams. Der Verlust von 6,8 Millionen Euro beinhaltete Rückstellungen für den Umbau des Unternehmens. Ohne diese habe das Betriebsergebnis 2,4 Millionen Euro betragen. Im Jahr 2004 hatte der Verlust noch 14 Millionen Euro betragen. Darin waren die Kosten des Personalabbaus enthalten.
Für das laufende Jahr plant Märklin eine leichte Steigerung des Umsatzes. "Wir liegen im Plan." Kingsbridge Capital will seine Beteiligung an Märklin vier bis sechs Jahre halten. "Wir wollen die Firma wieder profitabel machen." Zukäufe die zu Märklin passen schloss er nicht aus.
Manchmal stellen sich die Mitarbeiter auch die Frage, ob es immer nur Modellbahnen sein müssen. Die Tradition gibt weit mehr her. Einen Teil des Rufes begründete in der Vergangenheit auch Blechspielzeug aller Art vom Puppenherd bis zur Dampfmaschine, insbesondere der Metallbaukasten. Was Märklin im Krieg herstellte, ist nach wie vor Geheimnis der Eigentümer. Aber als in der Wirtschaftswunderzeit die elektrische Eisenbahn eine ungeahnte Konjunktur erlebte, hatten die Göppinger immerhin Kapazitäten, um Miniaturmotoren für Auto-Scheibenheber zu produzieren - damals ein absolutes Nischenprodukt für Luxuswagen.
Märklin macht auch Miniaturmotoren
Miniaturmotoren baut Märklin immer noch, in Kleinst-Getrieben sind sie ebenso gut wie in Galvanik, wie Millionen funktionierender und filigran bedruckter Lokomotiven alljährlich beweisen. "Aber heute ist der Name Märklin vor allem verbunden mit 'Made in Germany' und 'Modellbahn'", sagt Gaugele. Märklin ist, vergleichbar mit Leica oder Porsche, für viele Menschen nicht einfach nur ein Hersteller, sondern eine Weltanschauung - Kult eben.
Im Unterschied zu den Genannten nehmen die Göppinger für sich aber auch mengenmäßig die Marktführerschaft in Anspruch. Eingeweihte schätzen den "Heavy-User"-Kundenkreis auf rund 100.000. Ob diese Zahl zu hoch gegriffen ist oder nicht, muss offen bleiben.
Das "Märklin Magazin", die frei verkäufliche Kundenzeitschrift, gibt für das zweite Quartal 2004 eine Auflage von gut 86.000 an. Es ist das auflagenstärkste Blatt auf dem weit gefächerten Markt. Anfang 2005 wurde es komplett relauncht und modernisiert, was Erfolge am Kiosk, aber auch die Abkehr einiger "Hardcore-Märklinisten" zur Folge hatte. Zwei Kundenclubs, der "1.FC Märklin" und der "Insider Club", binden eine hohe fünfstellige Mitgliederzahl, die wahrscheinlich eine Teilmenge der oben Genannten ist.
Loyaler Kundenstamm
"Insider" etwa erhalten für zurzeit 72,90 Euro Jahresbeitrag die Zeitschrift, den Katalog, ein Video und einen Waggon sowie jährlich eine kostenpflichtige, aber exklusive Lokomotive. Unter ihnen wurde in den vergangenen Monaten schon mal die Frage diskutiert, ob sie das Problem nicht selbst regeln sollten. "Das Unternehmen könnte Anteile im Wert von 1000 Euro ausgeben", schlug einer vor, die dann jedes Jahr mit einer hochwertigen und exklusiven Lok nur für die Anteilseigner "verzinst" würden. Zumindest dieses Experiment muss jetzt wohl nicht mehr gewagt werden.