VW-Gesetz Kampf um die Mitbestimmung

Von Nora Jakob
Es ist ein großer Aufmarsch: Etwa 40.000 Mitarbeiter von Volkswagen demonstieren in Wolfsburg für ihre Mitbestimmungsrechte. Diese sind ihnen nach dem VW-Gesetz garantiert. Wenn es nach der EU geht, verstößt es allerdings gegen geltendes Recht. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu dem heiklen Gesetz und dem Kampf um VW.

Das VW-Gesetz ist umstritten: Es sichert dem Land Niedersachsen mit einem Anteil von rund 20 Prozent eine Sperrminorität zu. Damit kann die öffentliche Hand gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern Standortverlagerungen oder Werksschließungen blockieren. Eine Ausnahme, denn eigentlich sieht das Aktienrecht dafür einen Stimmrechtsanteil von mindestens 25 Prozent vor. Deswegen gibt es seit Monaten einen heftigen Streit, der durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ausgelöst wurde. Das Gericht hatte es für unzulässig erachtet, dass die Stimmrechte der VW-Aktionäre auf 20 Prozent begrenzt waren.

Gegen wen richtet sich der Protest der Mitarbeiter?

Die Mitarbeiter wollen für den Erhalt des VW-Gesetzes demonstrieren. Es sichert den Arbeitnehmern ihre Arbeitsplätze und den Erhalt des Standortes. Nach Angaben des Betriebsrates richtet sich der Protest in erster Linie gegen die EU - inoffiziell wird aber auch gegen Porsche, den Großaktionär und Hauptprofiteur einer Abschaffung protestiert. Zu der Demonstration, die am Rand der VW-Aufsichtsratssitzung stattfinden soll, werden 40.000 Menschen erwartet. Der Gewerkschaftschef Berthold Huber sprach als Hauptredner. Die IG-Metall nannte die Demonstration eine "Mahnung, an alle, die das VW-Gesetz kippen" wollen und bezeichnete das Aufbegehren als eine der größten Protestaktionen in der Geschichte von Volkswagen.

Was ist das VW-Gesetz?

Es entstand 1960, als Volkswagen privatisiert und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Die damalige Bundesregierung wollte ihren staatlichen Einfluss sichern. Der Konzern sollte vor einer Übernahme aus dem In- oder Ausland bewahrt werden. Die Stimmrechte von jedem Aktionär wurden auf 20 Prozent beschränkt. Das heißt, dass das Mitspracherecht auch bei einem Aktienpaket über 20 Prozent auf dem Niveau von 20 Prozent bleibt. Das Land Niedersachsen und die Arbeitsnehmervertreter haben so beispielsweise bei Werksschließungen und bei Produktionsverlagerungen ein Mitspracherecht. Teile des Gesetzes hatte der Europäische Gerichtshof im Oktober 2007 gekippt, weil sie gegen EU-Recht verstoßen. Dabei geht es in erster Linie um Regelungen, die dem Land Niedersachsen eine Sperrminorität von 20 Prozent und damit eine Sonderstellung einräumen.

Warum hat der Europäische Gerichtshof Teile des Gesetzes gekippt?

Nach Ansicht der EU-Kommission war das Gesetz nicht mit der im EG-Vertrag garantierten Freiheit des Kapitalverkehrs und der Niederlassungsfreiheit konform. In Vertrag gibt es eine Regelung, die besagt, dass kein Aktionär mehr als 20 Prozent der Stimmrechte ausüben darf. Dies, so die Begründung der Richter, könnte Anleger aus anderen Ländern davon abhalten bei Volkswagen zu investieren. Seit der Privatisierung 1960 hatte VW sich damit vor ungewollten Übernahmen aus dem Ausland geschützt. Nach dem Richterspruch im Oktober 2007, der die Begrenzung der Stimmrechte auf 20 Prozent für unzulässig erklärte, hatte die Bundesregierung das Gesetz zwar überarbeitet - unangetastet blieb allerdings die Sperrminoritätsregel. Bereits in anderen Fällen hat die EU-Kommission gegen Sonderechte des Staates bei privatisierten Unternehmen Anklage erhoben.

Weshalb sicherte sich das Land Niedersachsen ein Vetorecht?

Das Land Niedersachsen hält 20 Prozent der stimmberechtigten Aktien und damit nach Porsche den zweitgrößten Anteil an VW. Das bringt dem Land einen enormen Einfluss und ein Mitspracherecht bei wichtigen Unternehmensbeschlüssen. So kann es beispielsweise gegen Entscheidungen zu Werksschließungen oder bei Standortverlagerungen ein Vetorecht einlegen. Üblich ist im Aktienrecht allerdings eine Sperrminorität erst ab 25 Prozent. Das ist Bestandteil einer Auseinandersetzung, die das Land Niedersachsen derzeit vor Gericht mit Porsche führt. Niedersachsen denkt darüber nach, seine Beteiligung an Volkswagen aufzustocken. Ministerpräsident Christian Wulff schloss dies nicht mehr aus: "Die Frage ist, ob die Sperrminorität bei 20 Prozent liegt oder bei 25 - dann müssten wir fünf Prozent dazukaufen. Wir würden das Geld lieber für andere Dinge ausgeben, würden das aber notfalls machen." Indes droht die EU mit einer erneuten Klage vor dem Europäischen Gerichtshof, um das Recht einer Sperrminorität schon bei 20 Prozent Stimmanteilen abzuschaffen.

Was will Porsche mit Volkswagen?

Im Herbst 2005 stieg Porsche mit einem Anteil von zunächst 20 Prozent bei Volkswagen ein. Aus dem Betriebsvermögen investierte der Sportwagenhersteller drei Milliarden Euro. Mit dem Kauf wollte Porsche eine Übernahme durch einen anderen Aktionär verhindern, der die Zusammenarbeit zwischen Porsche und Volkswagen beeinträchtigen könnte. Seit dem ist der Porsche-Anteil auf über 30 Prozent angestiegen. Bislang hat Porsche fünf Milliarden Euro für die Beteiligung an Volkswagen ausgegeben. Nach Angaben eines Porschesprechers, halte man mit der Option auf eine Erhöhung der Anteile "die Hefte des Handelns in der Hand". Durch das Überschreiten der Grenze von 30 Prozent muss Porsche nicht mehr öffentlich machen, zu welchen Preisen es weitere VW-Aktien kauft. Es muss auch keine Prämie zahlen, die ansonsten bei Übernahmen üblich ist. Porsche hat angekündigt, seinen Anteil an VW in den nächsten Monaten nach und nach auf 51 Prozent aufzustocken. Bereits im Juli hatte die EU die Übernahme genehmigt.

Wie sieht die Aktionärsstruktur bei Volkswagen aus?

Aktuell hält die Porsche Automobil Holding SE nach Angaben von Volkswagen 30,6 Prozent am Konzern. Weitere Aktionäre mit Stimmrecht sind Niedersachsen mit 20,1 Prozent und die Schweizer Bank UBS mit 2,7 Prozent. Die übrigen Anteile halten viele institutionelle Investoren und Privatanleger.