Die fünf Wirtschaftsweisen haben am Mittwoch Kanzlerin Angela Merkel ihr Gutachten zur aktuellen Wirtschaftsentwicklung übergeben. Darin sagen sie in Deutschland für das kommende Jahr eine Rezession voraus und erstmals seit 2005 wieder ansteigende Arbeitslosenzahlen. Das Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung trägt den Titel "Die Finanzkrise meistern - Wachstumskräfte stärken". Merkel sagte bei der Entgegennahme des Berichts, sie sehe durchaus Schnittmengen zwischen den Einschätzungen von Regierung und Rat. Der Titel des Gutachtens beschreibe genau das Ziel, dass sich auch die Regierung setze.
Die Wirtschaftsweisen fordern die Bundesregierung in ihrem Gutachten auf, im Kampf gegen den Abschwung notfalls noch mehr Schulden zu machen. Wegen der eintretenden Rezession hält es der Sachverständigenrat für vertretbar, "wenn im nächsten Jahr die öffentlichen Nettoinvestitionen ausgeweitet und durch ein höheres Defizit finanziert werden". "Wir müssen Antworten auf die doch markante Wirtschaftsabschwächung geben", forderte der Chef des Gremiums, Bert Rürup. Zur Ankurbelung der Wirtschaft müsse der Staat mehr in Infrastruktur und Bildung investieren. "Eine Politik der ruhigen Hand wäre verfehlt."
Rürup, erklärte, das Hilfspaket der Regierung für den Finanzmarkt sehe sein Gremium positiv, das Maßnahmenpaket für die Konjunktur hingegen kritisch. Nach Ansicht von Merkel liegen Bundesregierung und Sachverständigenrat im Grundansatz bei der Wachstumsförderung nicht weit auseinander, auch wenn der Rat sich größere Summen wünsche. Auch in der Wachstumsprognose - der Rat erwartet im kommenden Jahr eine Stagnation, die Regierung ein Plus von 0,2 Prozent - liege man beieinander.
In ihrem Gutachten rechnen die Wirtschaftsweisen mit einem Einbruch der Konjunktur im kommenden Jahr. Zwar werde die Wirtschaft in Deutschland 2008 noch mit 1,7 Prozent wachsen. Im nächsten Jahr werde sie dann aber in eine Stagnation zurückfallen. Nach der Definition des Rates, die auf die Entwicklung von Kapazitätszahlen abstellt, bedeutet das eine Rezession. Immerhin rechnen die Experten im Lauf des kommenden Jahres mit einer Belebung. Die Zahl der Arbeitslosen werde 2009 im Jahresdurchschnitt um rund 35.000 auf 3,3 Millionen steigen. Zugleich werde die Zahl der Erwerbstätigen um 81.000 auf 40,2 Millionen sinken.
Wachstumsträger wird dem Rat zufolge im kommenden Jahr mit einem Zuwachs von 0,4 Prozent der private Konsum sein. Hier werde es in diesem Jahr noch ein Minus von 0,3 Prozent geben. Dagegen wird der bisherige Konjunkturmotor Export 2009 deutlich an Fahrt verlieren und nur noch einen Mini-Zuwachs von 0,4 Prozent nach einem Plus von 4,2 Prozent im laufenden Jahr aufweisen.
Die Hilfspläne der Regierung für die Finanzwirtschaft und zur Stützung der Konjunktur treffen beim Sachverständigenrat auf ein gemischtes Echo. Während der Rat den Rettungsschirm für die Kreditwirtschaft im Grundsatz begrüßt, sieht er die Hilfen zur Stabilisierung der Konjunktur eher kritisch. Angesichts der aktuell schwierigen Lage plädiert er für eine sehr viel stärkere Wachstumsförderung des Staates über öffentliche Investitionen auch auf Kosten einer zeitweise wieder steigenden Neuverschuldung des Staates.