Herr Garbade, Sie waren bestimmt schon beim einen oder anderen Bauernprotest. Wie ist die Stimmung bei den Leuten?
Das kommt auf die Protestaktion an. Die Bauernverbände versuchen, die Aktionen sachlich zu halten. Aber wir wissen auch, dass die Stimmung aufgeheizt ist. Wir versuchen das alles so zu organisieren, dass niemand niedergebrüllt wird.

Wer sind die Unruhestifter?
Meistens sind es Einzelpersonen oder Redner, die die Leute anstacheln. Manche rufen dann rein oder nutzen ihre Trillerpfeifen. Aber das ist ganz normales Demonstrationsgehabe.
Es gibt Hinweise darauf, dass Rechte die Proteste für sich kapern.
Das konnten wir bisher noch nicht wirklich sehen. Aber das versuchen wir auch mit allen Mitteln zu verhindern. Und wir distanzieren uns klar von rassistischen und undemokratischen Äußerungen. Wir fordern, dass der Respekt allen gegenüber gewahrt bleibt.
In Schlüttsiel haben verärgerte Landwirte verhindert, dass Robert Habeck eine Fähre verlassen konnte. Der Wirtschaftsminister musste zurück auf die Hallig Hooge. Kam der Vorfall für Sie überraschend?
Wir wissen, dass auch solche Leute unterwegs sind. Das können wir leider nicht kontrollieren. Wir Bauernverbände halten die Aktion für falsch, weil sich die Aufmerksamkeit der Gesellschaft jetzt genau darauf richtet und nicht auf unsere Forderungen und Argumente. Der Vorfall in Schlüttsiel war alles andere als zielführend. Wir erwarten zu Recht Respekt gegenüber Landwirtinnen und Landwirten und unserem Beruf, haben aber auch die Pflicht, jedem anderen mit Respekt zu begegnen und dessen Privatsphäre zu respektieren.
Die Agrarpolitik in Berlin und Brüssel ist seit Jahren planlos.
Die Ampel war zuletzt wegen der Proteste auf einen Kompromiss ausgewichen: Die KfZ-Steuer bleibt abgeschafft und der Agrardiesel-Preis wird nur gestaffelt bis 2026 angehoben. Ist das ein Erfolg?
Das ist Augenwischerei. Ein kleiner Teil wurde gestrichen, um die Leute zu beruhigen. Aber in drei Jahren ist die Steuerrückvergütung dann weg und das verursacht hohe Kosten. Das ist nicht akzeptabel. Deswegen werden wir weiter protestieren. Aber der Diesel-Preis und die Steuer sind nur zwei Punkte, die das Fass zum Überlaufen gebracht haben.
Es brodelt also schon länger?
Die Agrarpolitik in Berlin und Brüssel ist seit Jahren planlos und richtet sich eigentlich gegen die Landwirte. Zu Beginn der Legislatur gab es gute Ansätze, aber die werden nicht umgesetzt. Der Frust ist mittlerweile so groß, dass die Lage wegen dieser beiden Maßnahmen, die über Nacht beschlossen wurden, nun eskaliert.
Von wem sind Sie mehr enttäuscht: von Wirtschaftsminister Robert Habeck oder von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir?
Cem Özdemir hat uns Landwirten am Anfang Hoffnung gemacht. Er und die Ampel-Regierung liefern jetzt aber nicht. Bestes Beispiel: die Tierhaltung. Es wurde so viel darüber gesprochen, wie man sie verbessern könnte. Am Ende hat die sogenannte Borchert-Kommission, die entsprechende Vorschläge erarbeitet hat, frustriert hingeworfen. Umgesetzt wurde bis heute nichts. Die Planlosigkeit der Regierung zerstört die Planungssicherheit der Landwirte. Robert Habeck wiederum hat mit Bundeskanzler Scholz und Finanzminister Lindner die bereits erwähnten Maßnahmen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ohne Folgenabschätzung beschlossen.
Welche Kosten kommen mit den Sparmaßnahmen nun auf die Landwirte zu?
Für die gesamte Branche war es vor den jetzt angekündigten Änderungen fast eine Milliarde Euro für Agrardiesel und Kfz-Steuer. Der Großteil davon steht weiter im Raum. Für jeden einzelnen Betrieb ist das aber sehr unterschiedlich. Es kommt darauf an, ob man viel mit Treckern und Maschinen unterwegs ist. Besonders betroffen sind auch Biobetriebe, die tendenziell mehr auf dem Acker unterwegs sind, weil die keinen chemischen Pflanzenschutz betreiben.
Bei einem mittelkleinen Betrieb gehen wir von ungefähr 5000 Euro Rückvergütung für Agrardiesel aus. Aber wir tragen auch einen großen Teil der zusätzlichen CO2-Bepreisung mit. Die kommt zu den Kosten für die Kraftstoffe bei uns und den vor- und nachgelagerten Bereichen dazu, die diese Kosten auf uns abwälzen. Unsere Branche wird so überproportional belastet. Die Kunden wollen für unsere Produkte nicht mehr bezahlen. Aber unsere Kosten beispielsweise für Futtermittel steigen, weil der Transport bei den Lieferanten teurer wird. Das alles kostet einen Durchschnittsbetrieb um die 10.000 Euro pro Jahr zusätzlich. Das ist ein erheblicher Teil unseres Einkommens.
Wir sehen, dass beim Klimaschutz mehr getan werden muss. Aber das funktioniert nicht, indem man Subventionen als klimaschädlich abtut.
Das werden bestimmt auch die Verbraucher zu spüren bekommen.
Für die Landwirte wird die Produktion teurer, aber wenn es den Einzelhandel zu viel kostet, dann kauft der auf dem internationalen Markt eben woanders günstiger ein. Es gibt Programme, über die nur einheimisches Fleisch verkauft wird. Aber auch dort drückt der Handel die Preise. Die Kosten werden gerne bei den Landwirten abgeladen, weil wir als Einzelne nicht entsprechend verhandeln können, aber auf den Handel und die Vermarktung angewiesen sind.
Das alles führt am Ende dazu, dass viele Nachfolger die Höfe nicht mehr übernehmen wollen. Der Beruf ist zwar wunderschön, aber die wirtschaftlichen Bedingungen sind vielen zu unsicher. Deshalb fordern wir, die Steuererhöhungen komplett zurück zu nehmen.
Und sonst?
Die Politik muss landwirtschaftsfreundlicher werden. Bisher werden die Leute nicht mitgenommen. Wir sehen, dass beim Klimaschutz mehr getan werden muss. Aber das funktioniert nicht, indem man Subventionen als klimaschädlich abtut.
Sind sie das nicht?
Nein, weil es bisher keine Alternativen für uns gibt. Die Regierung in Berlin ist einfach einem Aktionismus verfallen, ohne kluge Konzepte anzubieten. Das ist gefährlich, weil so auch das Wahlverhalten beeinflusst wird – in allen Branchen, wohlgemerkt. Wir sehen das bereits in Ostdeutschland, wo die nächsten Wahlen anstehen. Und da mache ich den etablierten Parteien einen ganz großen Vorwurf. Denn egal, um welches Thema es geht, sie nehmen die Menschen nicht mit.
Die beiden Streitpunkte zur KfZ-Steuer und dem Agrardiesel-Preis müssen vom Tisch.
Welche Konzeptideen schweben Ihnen vor?
Wir brauchen Pläne, wie sie die Borchert-Kommission zum Beispiel beim Tierwohl erarbeitet hat. Das schafft Planungssicherheit. Oder die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL), die Konzepte unter anderem auch mit Umweltverbänden erarbeitet hat. Das wäre ein Anfang. Politische Entscheidungen müssen abgesprochen werden. Bei der KfZ-Steuer und dem Agrardiesel-Preis war das aber nicht der Fall.
Wie optimistisch sind Sie, dass die Proteste die Regierung in Berlin zum Umdenken bringen?
Wir hoffen, dass unsere Argumente durchdringen und die Proteste Wirkung zeigen. Natürlich wollen wir dabei auch den Rückhalt in der Bevölkerung nicht verlieren. Ansonsten werden aber die Proteste nicht so schnell vorbei sein.
Wären die Landwirte denn zu Kompromissen bereit?
Nein, die beiden Streitpunkte zur KfZ-Steuer und dem Agrardiesel-Preis müssen vom Tisch. Und dann muss die Regierung die Landwirte wieder mitnehmen und sie motivieren, die Betriebe fortzuführen oder zu übernehmen.