Herr Rauter, wie funktioniert das Zahlungsmodell "Buy now, pay later"?
Bei "Buy now, pay later" können Kunden Waren sofort kaufen, ohne direkt zu bezahlen. Der Kaufpreis wird später in Raten oder auf einen Schlag vom Konto abgebucht. Die Online-Händler sind dann raus, da der Bezahldienstleister die Finanzierung und das Kreditrisiko übernimmt. Solche Angebote können Kunden mehr Flexibilität bieten, führen aber oft auch in die Schuldenfalle.
Wo ist der Haken?
"Buy now, pay later" kann dazu führen, dass Menschen schneller und einfacher Kaufentscheidungen treffen, insbesondere jüngere Menschen. Das Verfahren ist verlockend und funktioniert oft mit nur einem Klick. Die Gefahr liegt einfach darin, dass Käufer, den Überblick verlieren – vor allem bei längeren Zahlungsfristen von 30, 60 oder 90 Tagen. Die Käufer vergessen dann, was sie bereits gekauft haben, da während der Zahlungsfrist keine Erinnerungen verschickt werden.

Zur Person
Marco Rauter leitet die AWO Schuldner- und Insolvenzberatung in Berlin Südost. Außerdem ist er Vorstandsvorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldner- und Insolvenzberatung Berlin e.V.
Was passiert dann?
Wenn die Summe schließlich abgebucht wird, ist das Konto vielleicht nicht gedeckt oder es wurden mehrere Käufe auf diese Weise getätigt. Bei nicht ausreichenden Einkommen kann dies zu ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten führen, da Banken und Inkassounternehmen sofort Maßnahmen zur Zwangsvollstreckung einleiten.
Ihr Job ist es, Schuldner zu beraten. Was erleben Sie in der Praxis?
Also wir hatten hier in der Beratung mal eine ältere Dame, die sagte: Ich nutze "Buy now, pay later", um Dinge zu kaufen, wenn ich mal kein Geld auf dem Konto habe. Sie wollte ihrer Enkelin ein Geschenk machen und wusste ganz genau, mit Bargeld oder mit einer EC-Karte an einer Kasse geht das gerade nicht.
Was war das Geschenk?
Bei der besagten Dame ging es um einen Laptop. Später gingen dann Küchengeräte von ihr kaputt, die sie durch Zahlung mit "Buy now, pay later" ersetzte. Sie fühlte sich so bequem mit der Situation, dass das böse Erwachen erst kam, als sie die Raten nicht mehr zahlen konnte. Sie wurde von den Schulden überrollt und ihr Konto wurde schließlich erst mal dichtgemacht.
Welche Ihrer Klienten tappen denn besonders oft in die "Buy now, pay later"-Falle?
Es ist vor allem die Gruppe derer, die mit Mobiltelefonen aufgewachsen sind und für die Online-Einkäufe normal sind. Das ist die Altersgruppe Mitte bis Ende Zwanzig. Dazu kommt: Die Corona-Lockdowns 2020 und 2021 führten dazu, dass auch Menschen, die nicht online einkauften, diese Möglichkeit für sich entdeckten. Diese Gewohnheit haben sie beibehalten. Das ist erst mal nicht schlimm. Nur: Leute, deren Konto unregelmäßig gedeckt ist oder die nie gelernt haben, mit Geld umzugehen, sind einem höheren Risiko ausgesetzt.
Wir müssen die Finanzkompetenz der Menschen verbessern."
Warum?
Sie geben in einem Monat mehr aus, als sie sollten, und erschrecken dann, dass der Monat so "teuer" war. Manche beschränken dann ihre Ausgaben im nächsten Monat, aber die Gefahr besteht, dass sie wichtige Zahlungen wie Miete oder Strom verpassen. In unserer Beratung betonen wir immer wieder, wie wichtig die Bezahlung von Miete und Strom ist, um keinen Wohnungsverlust zu riskieren. Das Schuldenproblem muss trotzdem angegangen werden, sei es durch Ratenzahlung, Vereinbarungen mit der Hausbank, Umschuldungen oder mithilfe von der Familie, obwohl letzteres immer seltener wird.
Sollte man Zahlungsmodelle wie "Buy now, pay later" nicht besser verbieten, wenn sie so schädlich sind?
Das ist schlicht und einfach nicht mehr möglich. Das System hat sich durchgesetzt. Vielmehr müssen wir die Finanzkompetenz der Menschen verbessern durch flächendeckende Angebote, die am besten schon in der Schule beginnen. Ein anderer Ansatz wären Mechanismen, die den Online-Bezahlvorgang verlangsamen, zum Beispiel Pausen zwischen den einzelnen Schritten.
Was raten Sie Menschen, die schon in der Schuldenfalle stecken?
Nehmen Sie das Beratungsangebot wahr. Wir wissen, es kann mit Scham verbunden sein, Schulden zu haben. Bei uns werden Sie deshalb nicht belehrt, wir helfen Ihnen.