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Von Goji-Beeren bis Reh-Plazenta Warum "Superfoods" gar nicht so super sind

Sie sollen uns gesund, schlank und schön machen: "Superfoods" sind in aller Munde. Dabei ist die Bezeichnung vor allem eines - eine Marketingstrategie.
Von Alica Müller

Miranda Kerr geht auf Nummer sicher. Angeblich packt das Model jeden Morgen neun sogenannte "Superfoods" in ihren Shake –  ganz nach dem Motto "viel hilft viel". Chia-Samen, Pulver aus Acai-Beeren, Goji-Beeren und Spirulina müssten unter anderem dafür sorgen, dass Kerr schlank, jung, konzentriert, faltenfrei und vor allem gesund bleibt. All das versprechen Superfoods, also Lebensmittel, die als besonders nährstoffreich beworben werden und in Deutschland in immer mehr Läden zu kaufen sind.

Können wir jetzt also Beeren und Samen essen, um wie ein Supermodel auszusehen? Leider nein. Man kann kaum nachweisen, dass die angesagten Lebensmittel ihre Versprechen halten. Dafür sind die exotischen Produkte oft sehr teuer und für Händler eine immer beliebtere Marketingstrategie.

Algen für 400 Dollar

Wie so oft kommt der Hype aus den USA. Die Talkmasterin Oprah Winfrey pries schon 2009 die Acai-Beere als ihr Diät-Wundermittel an. David Wolfe ist der selbsternannte "Rockstar und Indiana Jones der Superfoods". Seit Jahren empfiehlt er auf seiner Website eine Ernährung mit viel Rohkost und Superfoods. Davon scheint er gut leben zu können. In einem Onlineshop, den er repräsentiert, gibt es 1,4 Kilo getrocknete Physalis für 70 US-Dollar, viereinhalb Kilo rohe Kakaobohnen für 160 Dollar und -  ein echtes Sonderangebot - 300 Gramm getrocknetes marines Phytoplankton, also winzig kleine Algen, für knapp 400 Dollar. In dem Shop kann man auch Tabletten aus Reh-Plazenta und aus Ameisen kaufen – bei Wolfes veganen Fans kommt das gar nicht gut an.

In Deutschland stehen bisher eher die Klassiker in den Regalen. Chia-Samen, Acaipulver und Gojibeeren gibt es seit diesem Monat auch in einigen dm-Filialen zu kaufen, die mit der veganen Supermarktkette "veganz " kooperieren.

Die Kunden zahlen bereitwillig

Martin Fassnacht, Professor für Marketing, bestätigt den Trend zu den angeblichen Über-Lebensmitteln: "Das erinnert ein wenig an die Anfangszeit der Bio-Produkte." Supermärkte seien immer auf der Suche nach neuen Produkten, da dienten oft auch Biomärkte als Inspirationsquelle, die Superfoods in Deutschland schon relativ früh führten. Obwohl der Markt laut Fassnacht noch relativ klein ist, sei der Begriff für viele Händler eine beliebte Marketingstrategie. "Wir wollen uns immer besser ernähren, und gesundheitsbewusste Menschen sind bei gesunden Lebensmitteln weniger preissensibel", sagt er, "Man kann davon ausgehen, dass die Gewinnspannen hoch sind." Die Produkte kommen oft aus weitentfernten Regionen, wo sie angeblich schon lange dafür sorgen, dass die Menschen fit bleiben. Ein langer Transport ist teuer, trotzdem sei der Preis hauptsächlich ein Spiegel der hohen Zahlungsbereitschaft der Kunden – häufig Veganer, Sportler, Gesundheitsbewusste.

Was können die Beeren wirklich?

Für Verbraucher ist es oft schwer herauszufinden, was die hochgelobten Mega-Lebensmittel wirklich können. "Superfood" ist kein feststehender Begriff, theoretisch darf man ihn auch auf eine Packung Bratwürste drucken.

Bisherige Studien weisen vielen der Lebensmittel zwar wirklich eine gesundheitsfördernde Wirkung nach. Allerdings wurden diese im Labor mit Tierversuchen oder mit isolierten menschlichen Zellkulturen erstellt. Jeder Mensch isst, lebt und reagiert anders, weshalb die tatsächliche Auswirkung auf die Gesundheit damit nicht bewiesen werden kann.

Die Verbraucherzentrale NRW hat deshalb eine Übersicht zur Wirkung einiger Superfoods veröffentlicht. Das Fazit bei den meisten Produkten: Muss nicht sein, kann aber auch nicht schaden. Und: "Wunder kann man nicht erwarten."

Goji-Beeren und Algen können schädlich sein 

Bei manchem Superfood kann der Konsum unter Umständen schädlich sein. Für Goji-Beeren gibt es sogar eine Warnung des Bundesinstituts für Arzneimittel: Die Beeren sollen Wechselwirkungen mit einigen Blutverdünnern auslösen. Außerdem testete das Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart die Beeren 2010 auf Pestizide. Das Ergebnis: Bei 13 von 14 Proben aus konventionellem Anbau wurde die Höchstmenge an Rückständen überschritten.

Verschiedene Algen werden oft als besonders reich an Jod angepriesen. Bei getrockneten Algen liegt der Jodgehalt zwischen fünf und 11.000 Milligram pro Kilo – die Tagesempfehlung für Erwachsene liegt aber bei nur 0,5 Milligramm. Vertut man sich mit der Dosis, kann dies zu Problemen mit der Schilddrüse führen. Auch die Behauptung, Algen wie Spirulina könnten Veganer mit dem wichtigen, sonst nur tierisch verfügbaren Vitamin B12 versorgen, ist kaum haltbar. So schreibt die Stiftung Warentest, das Vitamin läge dort fast nur in einer Form vor, die der Mensch gar nicht aufnehmen kann.

Viel Marketing, wenig Substanz

"Viel Marketing, wenig Substanz", fasst  Armin Valet, Lebensmittelexperte bei der Verbraucherzentrale Hamburg, zusammen, "Wenn die EU da mal in die Pötte kommen würde, würde sich einiges ändern." Cornflakes oder Nudeln dürfe man nicht damit bewerben, sie würden den Körper entgiften oder sonstige Vorteile für Gesundheit haben. Bei sogenannten "botanicals", also rein pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln, sei das dagegen noch nicht geregelt. Behaupten Hersteller aber, ihre Lebensmittel könnten Krankheiten heilen, befinden sie sich damit im illegalen Bereich. Einige mehr oder weniger vertrauenswürdige Seiten berichten zum Beispiel von Experimenten, laut denen Acai-Beeren Krebs heilen könnten. "Bei hochtrabenden Versprechen muss man vorsichtig sein, das ist selten seriös", sagt Valet, "gerade Internetkäufe sind da schwierig." Dieser Markt sei immer noch zu wenig kontrolliert.

Erst denken, dann kaufen

Auf bekannte Lebensmittel zurückzugreifen, ist oft nicht nur genauso gesund und günstiger, sondern auch sicherer. Exotische Früchte bieten ein schwer einschätzbares Allergiepotential, da der Körper mit bislang unbekannten Eiweißen in Kontakt kommt.

"Jeder muss einfach gucken, was ihm gut tut", sagt Valet. Und kurz nachzudenken, bevor man zugreift, kann auch nicht schaden: Chia-Samen zum Beispiel werden oft für ihren hohen Kaliumgehalt gelobt. Doppelt so hoch wie bei Bananen soll dieser sein. Das hört sich erstmal toll an. Beachtet man aber, dass man von den Samen meist nur wenige Teelöffel isst und eine Banane schnell über 200 Gramm auf die Waage bringt, sieht das schon wieder ganz anders aus.

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