Das von Elon Musk in X umbenannte Twitter zieht vor Gericht gegen kritische Online-Forscher, die Hassrede und Falschinformationen im Netz aufdecken. Die X Corp. wirft der Organisation CCDH in der Klage vor, sie habe widerrechtlich auf Daten des Kurznachrichtendienstes zugegriffen. X sei durch die Berichte der Forscher Schaden entstanden, weil Werbekunden abgesprungen seien.
Unrechtmäßig auf Twitter/X-Daten zugriffen?
Für die eingereichte Klage suchte sich X frühere Berichte des CCDH (Center for Countering Digital Hate) heraus, in denen es unter anderem über Falschinformationen zum Coronavirus und Klimawandel ging. Dem CCDH wird unter anderem vorgeworfen, unrechtmäßig auf Daten zugegriffen zu haben. X behauptet zudem, aber ohne Belege, das CCDH wolle der Plattform absichtlich schaden und werde von Konkurrenten finanziert.
Die Anwältin des Zentrums nannte den Brief "lächerlich" und warf der Firma vor, Kritiker einschüchtern zu wollen. Sie verwies darauf, dass einige der angeprangerten Tweets eindeutig rassistisch, antisemitisch und homophob gewesen seien und damit gegen die Regeln von Twitter verstießen. In den gemeldeten Posts hieß es unter anderem, die "schwarze Kultur" habe mehr Schaden als der rassistische Geheimbund Ku-Klux-Klan angerichtet, oder dass "die jüdische Mafia" alle ersetzen wolle. Vier Tage später seien die Tweets weiterhin verfügbar gewesen, so das CCDH.
CCDH-Anwältin Roberta Kaplan ließ dabei durchblicken, dass eine Klage für die Plattform auch nach hinten losgehen könne: So werde die Organisation dann sofort ausführliche Informationen zum Umgang mit Hassrede sowie zum Umsatz einfordern – auch wenn sich die Vorwürfe nicht auf den Inhalt, sondern auf die Methoden beziehen, mit denen CCDH Daten gesammelt hat.
Multimilliardär Elon Musk, der Twitter/X im vergangenen Oktober gekauft hatte, wirft der vorherigen Firmenführung vor, rechte politische Ansichten unterdrückt zu haben, und verspricht auf seinem Portal "absolute Redefreiheit". Das aber schreckt einige große Werbekunden ab, die ein negatives Umfeld für ihre Marken befürchten. Musk räumte jüngst ein, dass die Werbeeinnahmen nur halb so hoch seien wie früher.
Kredite in Höhe von zwölf Milliarden Dollar
Das ist ein sehr reales Problem für die Plattform, da die Anzeigenerlöse traditionell ihre zentrale Geldquelle sind. Auf dem Dienst lasten zudem Kredite in Höhe von rund zwölf Milliarden Dollar, die Musk für den Kauf aufnahm. Auch bei der Umbenennung läuft es nicht rund: Die Firma musste am Montag ein leuchtendes X-Logo auf dem Dach der Zentrale wieder abmontieren, weil es ohne die nötigen Genehmigungen aufgestellt worden war.
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Musk und die von ihn berufene Twitter-Chefin Linda Yaccarino behaupten, die Verbreitung von Hassrede bei dem Dienst sei stark gesunken. Sie verweisen darauf, dass "99,99 Prozent" der Nutzern angezeigten Beiträge "gesund" seien. Musk erklärte die Vorgehensweise: Alles, was legal ist, darf behauptet werden – aber die Verbreitung einiger Aussagen kann eingeschränkt werden. Zugleich kappte Musk den früher existierenden Zugang unabhängiger Forscher zu Twitter-Daten, sodass seine Behauptungen nicht mehr überprüft werden können.
US-Medien rassistisch gegen Weiße?
In der Klage behauptet X nun, das CCDH wolle nicht Hassrede bekämpfen, sondern aus Online-Medien Ansichten verbannen, mit denen es nicht einverstanden sei. Dabei gehe es um Themen wie unter anderem Klimawandel und Corona-Impfstoffe. Musk selbst hatte Corona-Risiken heruntergespielt und Impfskeptikern eine Plattform gegeben. Er stellte in den vergangenen Monaten auch wiederholt rechte politische Ansichten zur Schau und warf etwa US-Medien vor, "rassistisch" gegenüber Weißen zu sein. Am Wochenende durfte der Rapper Kanye West auf die Plattform zurückkehren, der wegen antisemitischer Äußerungen verbannt worden war.