Das US-Haushaltsdefizit erreicht nach einer neuen amtlichen Schätzung in diesem Jahr den Rekordwert von 422 Milliarden Dollar (349 Milliarden Euro). Das entspricht 3,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, teilte die Haushaltsbehörde des Kongresses (CBO) am Dienstag in Washington mit. Für das nächste Jahrzehnt ergibt sich sogar ein Ausblick auf eine angehäufte Schuldenmasse von 2.294 Billionen Dollar, warnen Experten.
Doch die Amerikaner können diesen Zahlen durchaus noch etwas positives abgewinnen: Vor wenigen Monaten war das zu erwartende Defizit auf 475 Milliarden Dollar geschätzt worden. Das zeige doch, dass man eine erfolgreiche Wirtschaftsstrategie verfolge, die zu Konsum und mehr Jobs führe, hieß es von republikanischen Politikern.
Kauflust dank niedriger Zinsen und Steuersenkungen
Die Amerikaner halten es wie ihr Staat und sorgen eifrig für den Geldfluss. Zwar verdienen auch in den USA viele Menschen gerade genug, um damit von Woche zu Woche zu kommen. Stagnierende Löhne machen es schwer, die steigenden Kosten für den Lebensunterhalt zu decken. Im vergangenen Jahr mussten die Schuldnerberatungen einen Ansturm von 1,6 Millionen amerikanischer Haushalte bewältigen, die Überschuldung in den Bankrott getrieben hatte.
Doch eine gewisse Risikofreudigkeit ist Teil des "American way of life", und so wird lieber investiert als gespart - auch wenn die Zeiten unsicher sind. Anders als die Deutschen zeigen die Amerikaner keine Zurückhaltung beim Konsum. Sie tragen mit ihren Einkäufen fast 70 Prozent der amerikanischen Gesamtwirtschaft. Die niedrigsten Zinsen seit mehr als vier Jahrzehnten und die großzügigen Steuergeschenke von US-Präsident George W. Bush während der vergangenen Jahre haben die Kauflust der amerikanischen Konsumenten angeheizt wie nie zuvor.
Die Mittel aus Washington reichten aber allein nicht aus. Zusätzlich haben die US-Bürger sich immer stärker verschuldet, um Hauskäufe, Autos und andere Anschaffungen zu finanzieren. Die Sparrate nähert sich Null, und die Amerikaner liegen damit fast ganz hinten in der globalen Sparraten-Liga. Die US-Konsumenten haben ihre Schulden seit 2000 um insgesamt 34 Prozent auf ein Rekordniveau 9,5 Billionen Dollar (7,8 Billionen Euro) erhöht.
Am meisten wird ins eigene Haus investiert
Der größte Teil der Verschuldung besteht aus Hypothekenkrediten für den Haus- und Wohnungskauf. Mehr als zwei Drittel aller Amerikaner wohnen in den eigenen vier Wänden. Die Politik des billigen Geldes von US-Notenbankchef Alan Greenspan und der anderen US-Währungshüter hat die Hypothekenzinsen auf das niedrigste Niveau seit Menschengedenken getrieben. Die Amerikaner schulden den Banken und Sparkassen für ihre Immobilien inzwischen fast acht Billionen Dollar.
Die extrem niedrigen Zinsen nutzten sie prompt aus, um ihre Hypothekenzinsen deutlich zu senken und sich durch diese Umschuldungen in den vergangenen drei Jahren noch einmal rasch 400 Milliarden Dollar zusätzlich zu pumpen. Dieses Geld haben sie konsumiert statt es zu sparen. 80 Prozent der existierenden amerikanischen Hypotheken sind zu Festzinsen vergeben worden. Der Prozentsatz der mit variablen Zinsen ausgestatteten Hypothekenkredite hat in letzter Zeit jedoch 30 Prozent erreicht. In anderen Worten: Immer mehr US-Hausbesitzer geraten bei den jetzt rasch steigenden Zinsen in die Schuldenfalle.
Mehr als sechs Kreditkarten pro Person
Weitere 1,6 Billionen Dollar entfallen auf Kreditkarten- und andere Teilzahlungskredite, die variable Zinsen tragen. 190 Millionen der knapp 280 Millionen US-Bürger besitzen insgesamt rund 1,2 Milliarden Kreditkarten. Im Schnitt haben die Amerikaner jeweils mehr als sechs Kreditkarten. Pro Haushalt betragen die Kreditkartenschulden mehr als 8400 Dollar. Die US-Bürger finanzieren jährlich Käufe im Wert von 1,4 Billionen Dollar mit Plastikgeld-Krediten. 80 Prozent der 18- bis 20-jährigen Amerikaner besitzen bereits Kreditkarten. Etwa 15 Prozent aller US-Bürger haben Kreditprobleme.
Jetzt machen sich viele Wirtschaftsweise angesichts der steigenden Zinsen und ausbleibender neuer Steuergeschenke Gedanken, wie es mit der US-Konjunktur und dem steigenden Schuldendienst weiter gehen soll. Die Zahl der Niedrigverdiener nimmt zu, während wenig neue Jobs für die besser Qualifizierten geschaffen werden. Die Leitzinsen, die in diesem Jahr ein historisches Tief von einem Prozent erreicht hatten, sind inzwischen auf 1,5 Prozent angehoben wurden. Sie dürften bei der nächsten Notenbanksitzung in zwei Wochen auf 1,75 Prozent und bis Ende nächsten Jahres auf 3,5 bis vier Prozent erhöht werden. Dann dürfte es für viele Amerikaner angesichts ihrer Überschuldung immer schwieriger werden.