Zoll Jagd auf Schwarzarbeiter statt Schmuggler

Nach der EU-Erweiterung kommen auf Zollbeamte neue Aufgaben zu: Neben dem Kampf gegen Schmuggler durch Warenkontrollen im Hinterland fällt auch der Kampf gegen illegale Beschäftigung in ihr Ressort.

"Haben Sie etwas zu verzollen?" Noch stellt Veronika Beck täglich ungezählte Male diese Frage, wenn die lange Reihe Autos über den deutsch-polnischen Grenzübergang Stadtbrücke in Frankfurt (Oder) im Schritttempo an ihr vorüber rollt. Ab und zu winkt die Zollobersekretärin ein Fahrzeug heraus und kontrolliert es gründlicher. Am Abend des 30. April wird Schluss damit sein. Wenn die Europäische Union um zehn Mitgliedsländer wächst, schraubt der Zoll zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Bayern überall an der Grenze zu Polen und Tschechien seine rot-weißen Warnschilder ab. Die regelmäßigen Warenkontrollen gehören dann der Vergangenheit an.

Zollfreier Warenverkehr

Denn während noch offen ist, wann die neuen EU-Länder auch dem Schengen-Abkommen zur Abschaffung der Passkontrollen beitreten, gilt ab 01. Mai bereits der zollfreie Warenverkehr bis an die Grenzen zu Russland, der Ukraine oder Weißrussland. Während Becks Kollegen vom Bundesgrenzschutz bis dahin weiter die Papiere der Reisenden prüfen werden, zieht die junge Frau von den schmucklosen Glaskabinen des Grenzüberganges um in ein Büro des Zollkriminalamtes.

Dann wird sie nur noch am Schreibtisch mit den Fällen zu tun haben, denen sie bisher hautnah bei ihren Kontrollen nachspürte. "Schade eigentlich, ich habe gerne den Kontakt zu den Menschen hier", bedauert Beck. Wie ihr ergeht es etwa 1.300 Zollbeamten, deren bisherige Arbeit im direkten Grenzdienst gemeinsam mit den Warenkontrollen wegfällt, wenn die bisherigen 1.500 Kilometer EU-Außengrenze im Osten Deutschlands zur Binnengrenze werden. Die strengen Überprüfungen werden dann an die neuen Außenlinien im Osten Polens und der Slowakei verlegt.

Keiner der 4.500 Jobs in Gefahr

Laut Bundesfinanzministerium, dem der Zoll untersteht, wird deswegen jedoch keiner der insgesamt 4.500 Zöllner seine Arbeit verlieren, die in irgendeiner Weise mit den Warenkontrollen an den Ostgrenzen beschäftigt sind. Viele wechseln in andere Zollbereiche oder gar zu anderen Abteilungen der Finanzverwaltung. Einige Dienststellen, etwa das Bundesamt für Finanzen oder die Bundeskasse Halle haben eigens Außenstellen im äußersten Osten eingerichtet.

Etwa 800 der bisherigen Grenzkontrollbeamten werden in 15 neue, mobile Kontrollgruppen wechseln. Sie sollen weiter an der Ostgrenze und in einem 30 Kilometer breiten Streifen dahinter Jagd auf Schmuggler machen, nur eben unterwegs im Auto statt wie bisher als Posten direkt am Grenzübergang, wie Astrid Pinz vom Hauptzollamt Frankfurt (Oder) erläutert. "Die Aufgaben fallen ja nicht weg, im Gegenteil", erläutert sie.

Tabakeinfuhr bleibt begrenzt

Nach wie vor dürfen die Beamten auf den Autobahnen dann jeden Wagen kontrollieren, der ihnen irgendwie verdächtig vorkommt. Immerhin erwarten die Fahnder, dass der Zigarettenschmuggel ohne die bisherigen Warenkontrollen zunehmen wird. "Die bisherigen Freimengen für Tabak gelten an den Ostgrenzen zunächst weiter", erklärt Pinz.

Wann die Einschränkungen aufgehoben werden, hängt davon ab, wann die Nachbarländer ihre bisher deutlich niedrigeren Tabaksteuern an das allein bis September 2005 noch zwei Mal steigende deutsche Niveau angepasst haben. "Zwischen Polen oder Tschechien und Deutschland ist das Wohlstandsgefälle viel größer als an westdeutschen EU-Binnengrenzen", sagt die Zöllnerin.

Jagd gegen illegale Beschäftigung

Mit Auflösung der meisten bisherigen Grenzzollämter müssen sich zudem etwa 1.500 Zöllner auf einen Ortswechsel einstellen. Sie werden nach der EU-Erweiterungsrunde in andere Regionen versetzt. Behördensprecherin Pinz versichert, die Betroffenen seien möglichst nach sozialen Gesichtspunkten ausgewählt worden.

Für die Zöllner hat ihr oberster Dienstherr, Bundesfinanzminister Hans Eichel, längst ein neues, weites Beschäftigungsfeld erschlossen. Künftig sollen gemäß dem gerade von der Bundesregierung reformierten Gesetz zur illegalen Beschäftigung verstärkt nach Schwarzarbeitern fahnden. Möglicherweise stoßen sie dabei auf den einen oder anderen "alten Bekannten" von ihren bisherigen Grenzkontrollen.

AP · DPA
Sven Kästner, AP

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